Montag, 30. April 2018

Die Lichter der Pflege - Diplomrede vom 27.4.2018


Sehr geehrter Herr Direktor

Werte Berufsschullehrerinnen und Lehrer,

Werte Dozentinnen und Dozenten,

Geschätzte Berufsbildnerinnen und Berufsbildner,

Liebe Angehörige und Freunde

Liebe Diplomandinnen und Diplomanden,

Ganz ehrlich, mir ist diese Begrüssung zu lang und zu umständlich. Bestimmt, habe ich bereits jemand wichtiges vergessen. Zudem bin ich Pflegehexe und Hexen nehmen das mit der Korrektheit nicht ganz so genau. Wir sind da ein wenig direkter, kürzer und vielleicht auch herzlicher. Wir sagen was wir meinen und so wie wir es sagen, ist es auch gemeint (ein ganz klarer Satz, nicht?). Als Pflegehexe begrüsse ich nun alle mit nur 2 Worten (hocheffizient also).

Meine Lieben,

So viele Menschen hier und ich darf zu Euch sprechen. Und auch wenn ich jetzt gerade extrem weiche Knie habe, und ich zuvor fast vor Aufregung gestorben bin, freue ich mich doch sehr, dass ich heute hier sein darf. Vielen Dank, für die Einladung.

Die Begrüssung hätten wir also schon mal geschafft, grossartig. Und doch muss ich sie (nicht ganz Pflegehexen – Like) ergänzen. In dieser Rede möchte ich mein Wort vor allem an Euch, liebe Diplomandinnen und Diplomanden richten. Schliesslich sind wir ja alle euretwegen hier. Ihr anderen dürft natürlich trotzdem zuhören, Pflegehexen sind grosszügig.

Dann fange ich mal an: Ich gratuliere Euch von ganzem Herzen zu Eurem Diplom Pflegefachperson HF in Gesundheits- und Krankenpflege. Seid stolz auf Euch und feiert diesen Tag.

So, das wichtigste wäre jetzt gesagt und wir könnten zum Apéro gehen. Leider hat mir die Schulleitung gesagt, ich bekomme nur etwas, von diesem vielgerühmten Apéro wenn ich mindestens 10 Minuten zu Euch spreche. Darum, sorry, es dauert noch ein wenig.

Ja, was erzähle ich Euch jetzt? Als bloggende, Briefe schreibende, Facebook mit meinen Beiträgen überschwemmende Pflegehexe sollte mir da schon etwas einfallen.

Meinen Blog findet ihr übrigens unter malevizia.blogspot. ch. Meine Facebookseite ist Madame Malevizia und meine Mailadresse lautet pflegehexe@bluewin.ch. Wer sich das jetzt so auf die Schnelle nicht nicht merken kann, darf mich beim Apéro gerne ansprechen, ich habe Visitenkarten dabei Damit wäre der Werbeblock beendet.

Zurück zur Diplomrede. Da wären also Themen wie:

1. Der Fachkräftemangel, (Mein Lieblingsthema. Vor allem deshalb, weil dieser von der Politik geflissentlich ignoriert wird.) und seine Bedeutung für die Praxis (Der Job ist echt hammerhart. Pflegende betreiben nicht selten beruflichen Höchstleistungssport, ohne Aussicht auf einen Olympiasieg oder den Titel Sportlerin/Sportler des Jahres. Grundsätzlich verdienen sie alle jedoch den Prix Courage)

2. Die Passivität der Politik, wenn es um die ethisch – moralischen Konflikte, geht (da sind wohl noch mehrere Tritte in bestimmte Körperteile nötig, bis sich dort jemand diesen Fragen stellt, mit denen Pflegende tag – täglich konfrontiert sind.)

3. Die Lethargie der Pflegenden, die sich einfach alles gefallen lassen (wir haben Macht, wann fangen wir endlich an, sie zu nutzen. Die jüngere Generation scheint jedoch aufzuwachen, ein Umstand, der Anlass zur Hoffnung gibt.)

Ja, das sind meine Themen und ist naheliegend, dass ich über eines zu Euch spreche.  

Aber, ist es das, was ich Euch heute mitgeben will? Und noch wichtiger: Ist es das, was Ihr von Eurer Diplomfeier mitnehmen möchtet.

Als Pflegehexe ist es tatsächlich mein Ziel, diese Schatten beim Namen zu nennen. Ich bin sicher, auch Ihr kennt diese Schatten. Sie werden Euch in Eurem Alltag als Pflegende begleiten, einige habt Ihr bestimmt schon während Eurer Ausbildung kennen gelernt. Wünsche ich mir und Euch einem Tag, an dem Ihr vom Kämpfen mit diesen Schatten müde seid, dass ihr euch an eure Diplomfeier und an diese verrückte Frau mit dem Hexenhut, die sich selbst Pflegehexe nennt erinnert und denkt: «Sie hat es ja gesagt.» Nein. Denn dieser Gedanke wird euch keine Kraft geben. Dieser Gedanke wird nicht dazu beitragen, dass Ihr nach einem solchen Tag wieder aufsteht, weiter macht und Euch für Veränderungen stark macht.

Deshalb möchte ich Euch heute meine Lichter in der Welt der Pflegenden mitgeben. Ich weiss, Weihnachten ist noch weit. Ehrlicherweise muss ich aber zugeben, dass grosse Teile dieser Rede kurz vor Weihnachten entstanden sind. Diese Lichter die ich meine, brauchen wir Menschen und vor allem wir Pflegenden das ganze Jahr. Diese Lichter sind es, die unseren Beruf zu dem machen, was er ist: Für mich der schönste Beruf der Welt.




Meine Lichter

Das Lächeln eines Schwerkranken (und manchmal ist es wirklich mein Tagesziel, diesen Menschen zum Lachen zu bringen). - ein Licht

Das Danke eines Patienten, wenn ich mich verabschiede (manchmal unmittelbar nachdem ich ihm/ ihr Blut abgenommen habe) – ein Licht.

Dieser tiefe Friede, wenn ein Mensch seine letzte Reise antritt (für einige klingt das vielleicht merkwürdig, aber für mich ist es so) – ein Licht.

Ein Mensch, dem es lange, schlecht ging, bei dem es immer wieder in beide Richtungen (Leben oder Tod) hätte gehen können, verlässt zu Fuss die Station – ein Licht.

Ein Mensch mit demenzieller Veränderung, der zwar meinen Namen nicht nennen kann, mich aber voller Vertrauen bei der Hand nimmt und sich von mir zur Toilette führen lässt – ein Licht

Ein Team, das im grössten Stress, in der grössten Belastung, das Lachen nicht verliert – ein Licht.

Ein Team, das füreinander da ist, einander hilft – ein Licht

Eine Pflegedienstleitung, deren Tür offen ist, die sich für ihre Mitarbeitenden einsetzt – ein Licht.

Nach den Ferien zu hören, «Schön, sind sie wieder da.» - ein Licht.

Mit Patienten und Angehörigen gemeinsam Ziele definieren, Massnahmen ergreifen und diese erreichen – ein Licht.

Sich im interdisziplinären Team austauschen, als Pflegende den Lead übernehmen können (meist, laufen bei uns die Fäden zusammen) und dort mein Wissen und Können voll ausschöpfen zu können – ein Licht.

Tage, in denen ich so pflegen kann, wie ich es gelernt habe. -Ein Licht.

Ein junger Mann in der Krise, dessen Suizidversuch ich verhindern konnte, der sich bei mir bedankt (seinen Brief habe ich heute noch) – Ein Licht.

Selbst gesund sein dürfen (Gesundheit ist höchste Gut das keiner kaufen kann.) – ein Licht

Die Liste liesse sich noch beliebig erweitern. Ich bin sicher, das eine oder andere Licht, kennt Ihr auch und Ihr habt bestimmt auch noch viele weitere.

Und jetzt meine Lieben, wünsche ich mir und Euch, dass Ihr, wenn die Schatten mal wieder so gross sind, dass Ihr glaubt es geht nicht mehr , ihr Euch an Eure Diplomfeier und die verrückte Frau mit dem Hexenhut, die sich selbst Pflegehexe nennt erinnert und ihr mit Ihr zusammen ihre und Eure Lichter anzündet.

Danke fürs Zuhören. Und jetzt geniesst den Abend!

Eure Madame Malevizia

Pflegehexe

Mittwoch, 25. April 2018

Fertig dänke



«Fertig dänke!»
Das ist meine Forderung an die Menschen, dieses Landes wenn darüber diskutiert wird, "einfach den freien Markt spielen zu lassen". Damit meine ich nicht, dass sie aufhören sollen, zu denken. Hier heisst «fertig dänke» sie sollen das, was sie in der letzten Zeit so von sich geben haben mal zu Ende denken.
Was geschieht, wenn wir genau das tun, den Markt spielen lassen und Gesundheitseinrichtungen so führen wie jedes andere Unternehmen?

Wagen wir doch den Blick, in eine Zukunft, mit Spitälern, die ausschliesslich auf den Profit ausgerichtet sind:
Patienten, die defizitär sind, weil ihre Behandlungszeit länger ist als der DRG es vorsieht, werden entlassen. Sie werden entweder von ihren Angehörigen abgeholt oder mit der Bahre aus dem Spital herausgefahren und dort, selbstverständlich nachdem die Bahre ausgekippt worden ist, ihrem Schicksal überlassen. Es werden wohl einige vor dem Spital elend verrecken. Die Toten werden dann von den Bestattern eingesammelt.
Ärzte und Pflegende machen nur noch genau das, wofür sie bezahlt werden. Eine Operation dauert länger? Wenn die bezahlte Zeit um ist, wird zugenäht. Es sei denn, der Patient hat Zusatzminuten bezahlt.
Überwachung auf Station? Nur auf Verordnung und streng nach Plan. Das Organisieren und Vernetzen der interdisziplinären Dienste übernimmt die Pflege nur, wenn der Patient dafür bezahlt.
Bettwäsche, Inkontinenz- und Verbandmaterial: Alles ist abgezählt. Wer mehr benötigt muss bezahlen. Kann er dies nicht. Liegt er halt im Dreck oder riskiert eine Wundinfektion.
Ihr findet meine Schilderungen bizarr und widerlich? Ja ich auch. Ich habe jedoch nur zu Ende gedacht, was Politikerinnen und Politiker in unserem Land zum Thema Gesundheitswesen sagen und tun. Es ist ein Ausverkauf der Menschlichkeit.
Mich macht das traurig. Traurig darüber, dass ein so reiches Land, das seine eigenen hohen Wertvorstellungen und ihre Moral immer wieder betont, die Menschenwürde aufs Spiel setzt. Und das auch noch für Geld.

Eure Madame Malevizia