Freitag, 11. Oktober 2019

Die Dinge beim Namen nennen




Meine Lieben,


Ich bin über eine Diskussion gestolpert. Sie wird gerade im Heft «Krankenpflege» geführt. Es geht dabei um die Schattenseiten der Pflege und darum ob «jammern» hilfreich ist.
Zuerst muss ich sagen, dass ich mit dem Wort «jammern» so meine liebe Mühe habe. In Diskussionen erlebe ich den Vorwurf des Jammerns als Gesprächskiller. Das Gegenüber fühlt sich angegriffen und hat nur noch die Möglichkeit, sich entweder zurück zu ziehen, oder anzugreifen. Bevor ich also selbst Stellung beziehe, möchte ich zuerst die Begrifflichkeiten klären.
Unter Jammern verstehe ich die Haltung: «Alles ist Scheisse, ich bin das Opfer und ich kann nichts daran ändern.» Es ist ein sich hinlegen, alle viere von sich strecken und warten bis man/frau gepampert und einem die Flasche gegeben wird.
Professionell ausgedrückt: Jammern hat für mich viel mit erlernter Hilflosigkeit zu tun. Dieses Verhalten empfinde ich als lähmend und für die Probleme mit denen Pflegende zu kämpfen haben, nicht sinnvoll.

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Nur über das Licht unseres Berufes zu sprechen, wäre eine Verzerrung der Realität. Und ebenso ungesund wie das Jammern. Es muss möglich sein, die Dinge beim Namen zu nennen. Und so wie es im Moment ist, läuft im Gesundheitswesen einiges schief. Wir Pflegenden baden da so einiges aus. Darüber müssen wir sprechen. Damit wir gehört werden und auch Teil einer Lösung sein zu können, müssen wir das laut und gezielt tun.
Ich bin also dafür, die Dinge beim Namen zu nennen. Manchmal sorgt dies schon für jene emotionale Entlastung die nötig ist, um weiter machen zu können. Zu merken, dass ich mit meinen Schwierigkeiten nicht alleine bin, kann sehr viel Kraft geben. Es kann innere Zweifel zum Verstummen bringen, zu erfahren, dass man/frau sich nicht einfach «dumm» anstellt, sondern die Probleme auch andere belasten.
Viele der Schwierigkeiten in der Pflege sind durch politische Entscheidungen zu verantworten und auch dort zu lösen. Um die Politik in Bewegung zu bringen braucht es Druck. Und diesen werden wir nur aufbauen können, wenn wir die Schattenseiten unseres Berufes öffentlich machen.
Die Dinge beim Namen zu nennen ist ein Anfang, doch wenn wir das tun, müssen wir weiter gehen. Jeder einzelne von uns, genau da wo wir jetzt gerade stehen. Ein wichtiger Punkt ist dabei, sich jenen Arbeitsbereich und Arbeitgeber zu suchen, dessen Haltung und Umsetzung dieser, die betreffende Pflegende leben kann. Bei einem so trockenen Markt bei den Fachkräften können Pflegende sich das leisten. Und damit geben sie auch ein wichtiges Signal an die Arbeitgeber, da so jene Fachkräfte rekrutieren können, die auch in die Pflegenden investieren.
Auch die Missstände am eigenen Arbeitsbereich anzusprechen und sich für Lösungen einzusetzen, wirkt der Hilflosigkeit entgegen. Das fordert bisweilen auch Kraft und Durchsetzungsvermögen. Es wird jedoch niemals so lähmend sein, wie alles widerspruchslos mit sich geschehen zu lassen.
Sich gewerkschaftlich und/oder politisch engagieren ist ebenfalls eine Möglichkeit die Zukunft der Pflege positiv zu gestalten.
Was auch immer Ihr tut, ich danke Euch schon jetzt dafür, dass Ihr Euch mit mir zusammen, für ein menschliches Gesundheitswesen einsetzt.

Eure Madame Malevizia