Donnerstag, 3. August 2017

Chli chrankeschwösterle


Meine Lieben,

Immer wieder fällt mir auf, wie wenig die Menschen über den Beruf der Pflegefachpersonen wissen. Jüngere Berufskolleginnen (es sind fast ausschliesslich Frauen), erzählen mir oft, dass sie im Ausgang, wenn sie ihren Beruf offenbaren den Satz zu hören bekommen: „Ach, du tuesch chli chrankeschwösterle.“ Was man leicht als billige Anmache abtun kann, zeigt jedoch deutlich auf, wie wenig Respekt unser Beruf in der Gesellschaft geniesst. Auch in der Politik scheint der Eindruck vom „chli chrankeschwösterle“ sich hartnäckig zu halten. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass es Politiker und Politikerinnen gibt, die glauben, die Pflegeinitiative sei nicht nötig.

Ich möchte meine jungen Kolleginnen ermutigen, auf diesen Satz antworten: „Ich mache den Unterschied zwischen Leben und Tod.“

Denn genau das tun wir Pflegefachpersonen (so ist die offizielle Bezeichnung der Krankenschwester in der Schweiz. Darauf lege ich Wert, seit ich auf Google Bilder unter dem Schlagwort Krankenschwester gesucht habe).
Es ist die Pflegefachperson, die Frischoperierte überwachen.
Es sind die Pflegefachpersonen, die bei einem Volumenverlust und den damit zusammen hängenden Blutdruckabfall als erste reagieren
Es sind die Pflegefachpersonen, die den durchgebluteten Verband bemerken.
Es sind die Pflegefachpersonen, die allergische Reaktionen auf Medikamente oder Bluttransfusionen als erste registrieren.
Es sind die Pflegefachpersonen, die eine Atemnot bemerken und erste Schritte einleiten.
Es sind die Pflegefachpersonen, die um frühe Mobilisation, besorgt sind, um Thrombosen und ihre Folgenzu verhindern.
Es sind die Pflegefachpersonen, welche die Hautverhältnisse überwachen, damit Dekubiti vermeiden, sowie Hauterkrankungen wie Pilze oder ähnliches erkennen.
Es sind die Pflegefachpersonen, die an den heissen Tagen darum besorgt sind, dass alte Menschen genügend Flüssigkeit erhalten.
Es sind die Pflegefachpersonen, die bemerken, wenn aus einer Drainage nicht die Flüssigkeit herauskommt, die laut seiner Lage normal wäre.
Es sind die Pflegefachpersonen, welche die Suizidgefahr bei psychisch kranken Menschen einschätzen und sie, wenn nötig in Sicherheit bringen.
Es sind Pflegefachpersonen, die in der Psychiatrie akute Krisen auffangen. Und Menschen in solchen Krisen durch ihre persönliche Hölle begleiten.
Es sind die Pflegefachpersonen, die bei einem Herzkreislaufstillstand mit der Reanimation beginnen, bis das REA – Team da ist.

Ich möchte meine Kolleginnen ermutigen, zu antworten: „Ich bin der Unterschied zwischen würdigem oder unwürdigem Leben und Sterben“

Es sind die Pflegefachpersonen, die Sterbende und ihre Angehörigen bis zum letzten Atemzug und darüber hinaus begleiten. Die dafür sorgen, dass Sterbende keine Angst, keine Schmerzen und keinen Durst leiden müssen.
Es sind die Pflegefachpersonen, die sich darum kümmern, dass volle Einlagen gewechselt werden, dass demente Menschen, die Toilette finden, dass von Kot und Urin verschmutzte Betten frisch bezogen werden.
Es sind die Pflegefachpersonen, die bei depressiven Menschen so lange dran bleiben, bis diese die Kraft aufbringen, ihre persönliche Körperpflege durchzuführen.
Es sind die Pflegefachpersonen, welche die Autonomie von pflegebedürftigen Menschen wahren.
Das alles und noch viel mehr tun Pflegefachpersonen. Sie tun es, unter massivem Zeit – und Kostendruck, der häufig ungefiltert an sie abgegeben wird.
Dies alles zu tun, erfordert nicht nur ein fundiertes Fachwissen und Können, es erfordert auch Herz und seelische Substanz.

„Tuesch chli chrankeschwösterle“
Wenn dann eine Pflegefachperson an einem Abend feiern geht, dann hat sie meiner Meinung nach mehr verdient als diesen abgedroschenen Spruch. Dann hat sie es verdient, Worte des Respekts und des Dankes zu hören, egal in welcher Stimmung das Gegenüber ist.

Eure Madame Malevizia

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