In den letzten Tagen wurde viel über die Pflege
geschrieben. Vor allem darüber, wie viel es kosten wird, sollte die
Pflegeinitiative angenommen werden. Ich könnte jetzt schreiben, dass es ja auch
eine Option wäre, mal genau hinzusehen, wohin das Geld im Gesundheitswesen
hingeht. Fun Fact: In die Pflege geht es nicht. Ich könnte schreiben, dass in
Studien belegt ist, wie viel Geld eingespart werden könnte, wenn ich genug Kolleginnen
hätte.
Gleichzeitig werden Diskussionen geführt, ob unser
Lohn den nun angemessen sei. Ich könnte nun anbringen, dass dieser Medianlohn,
welcher immer wieder zitiert wird, nicht stimmen kann.
Es wird der Pflege unterstellt, dass sie einen «Sonderzug»
fahren will, dass Lohn und Arbeitsbedingungen nicht vom Bund vorgeschrieben
werden kann. So argumentiert beispielsweise der Bundesrat. Ich könnte jetzt
sagen, dass ich unserer Regierung doch etwas mehr Fantasie zugetraut hätte,
denn niemand sagt, dass dies bei einer Annahme der Initiative genau so gemacht
werden muss.
In vielen Zeitungen kam ein Bericht, der suggeriert:
Der Gegenvorschlag ist so super, noch mehr zu wollen ist unverschämt. Ich
könnte jetzt schreiben, dass es halt einfach nicht reicht, nur auszubilden und
nicht zu schauen, dass die Ausgebildeten dann auch noch im Beruf bleiben. Ich
könnte erneut erklären, dass nur so viel ausgebildet werden können, wie es auch
Berufsbildnerinnen gibt. Ich könnte anbringen, dass auch der Gegenvorschlag
nicht sofort umgesetzt werden kann, weil nicht alle Kantone dieses Geld sofort
sprechen werden. Und ich könnte erläutern, dass eine Ausbildungsoffensive über
acht Jahre ein Tropfen auf den heissen Stein ist.
Doch das tue ich nicht. Statt dessen möchte ich
daran erinnern, über wen wir gerade diskutieren. Nämlich über Pflegende, die
mit nichts ersetzbar sind, weil wir nämlich der Unterschied sind.
.
Wir
machen den Unterschied zwischen Leben und Tod.“
Denn genau das tun wir Pflegefachpersonen.
Es ist die Pflegefachperson, die Frischoperierte
überwachen.
Es sind die Pflegefachpersonen, die bei einem
Volumenverlust und den damit zusammen hängenden Blutdruckabfall als erste
reagieren
Es sind die Pflegefachpersonen, die den
durchgebluteten Verband bemerken.
Es sind die Pflegefachpersonen, die allergische
Reaktionen auf Medikamente oder Bluttransfusionen als erste registrieren.
Es sind die Pflegefachpersonen, die eine Atemnot
bemerken und erste Schritte einleiten.
Es sind die Pflegefachpersonen, die um frühe Mobilisation,
besorgt sind, um Thrombosen und ihre Folgen zu verhindern.
Es sind die Pflegefachpersonen, welche die
Hautverhältnisse überwachen, damit Dekubiti vermeiden, sowie Hauterkrankungen
wie Pilze oder ähnliches erkennen.
Es sind die Pflegefachpersonen, die an den heissen
Tagen darum besorgt sind, dass alte Menschen genügend Flüssigkeit erhalten.
Es sind die Pflegefachpersonen, die bemerken, wenn
aus einer Drainage nicht die Flüssigkeit herauskommt, die laut seiner Lage
normal wäre.
Es sind die Pflegefachpersonen, welche die
Suizidgefahr bei psychisch kranken Menschen einschätzen und sie, wenn nötig in
Sicherheit bringen.
Es sind Pflegefachpersonen, die in der Psychiatrie
akute Krisen auffangen. Und Menschen in solchen Krisen durch ihre persönliche
Hölle begleiten.
Es sind die Pflegefachpersonen, die bei einem
Herzkreislaufstillstand mit der Reanimation beginnen, bis das REA – Team da
ist.
Wir
sind der Unterschied zwischen würdigem oder unwürdigem Leben und Sterben“
Es sind die Pflegefachpersonen, die Sterbende und
ihre Angehörigen bis zum letzten Atemzug und darüber hinaus begleiten. Die
dafür sorgen, dass Sterbende keine Angst, keine Schmerzen und keinen Durst
leiden müssen.
Es sind die Pflegefachpersonen, die sich darum
kümmern, dass Inkontinenzeinlagen gewechselt werden, dass demente Menschen, die
Toilette finden, dass von Kot und Urin verschmutzte Betten frisch bezogen
werden.
Es sind die Pflegefachpersonen, die bei depressiven
Menschen so lange dran bleiben, bis diese die Kraft aufbringen, ihre
persönliche Körperpflege durchzuführen.
Es sind die Pflegefachpersonen, welche die Autonomie
von pflegebedürftigen Menschen wahren.
Das alles und noch viel mehr tun Pflegefachpersonen.
Sie tun es, unter massivem Zeit – und Kostendruck, der häufig ungefiltert an
sie abgegeben wird.
Dies alles zu tun, erfordert nicht nur ein fundiertes
Fachwissen und Können, es erfordert auch Herz und seelische Substanz.
Wie
viele dieser «Unterschiede» weiterhin in unserem Gesundheitswesen tätig sein
wollen und können, darum geht es am 28. November. Wie dieser «Unterschiede»
ihren Dienst tun können, wie es für ein würdiges Leben und Sterben notwendig
ist, darum geht es am 28. November. Dass diese «Unterschiede» gesund sein und
ihre Leistungen voll abrufen können, darum geht es am 28. November.
Wir
können jetzt in diese abstrakte Zahlenwelt abdriften, weil viele das besser
ertragen können. Weil es einfacher ist, zu sagen: «Das können wir uns nicht
leisten», anstatt zuzugeben: «Wir sind nicht bereit für einen wirklichen Game Change
im Gesundheitswesen.»
Madame Malevizia
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