Samstag, 25. Oktober 2014

Ein kinderloser Lebensweg



2013 war das Jahr, in dem ich mich mit der Möglichkeit auseinander setzen musste, dass ich keine Kinder bekommen würde. Bisher hatte ich mich nie bewusst mit diesem Thema befasst. Meinen Kinderwunsch habe ich bisher nicht wahrgenommen. Ich habe mich auch nie als Mutter gesehen. Aber in meinem Unterbewusstsein scheint doch irgendwo die Idee oder der Wunsch nach einem Kind zu sein.
Schon seit mehreren Jahren hatte ich grosse Probleme während der Menstruation. Ich hatte Krämpfe, so stark, dass mir schwindlig wurde. Die Blutungen waren heftig, oft blutete ich meine Kleidung durch und sie dauerten lange, manchmal mehr als 10 Tage. Mein Eisenspiegel fiel mehrmals in sehr tiefe Bereiche. Dauernde Müdigkeit, Denkstörungen (ich fand Worte nicht, vergass alles), und depressive Symptome waren die Folge. Eine Untersuchung bei der Gynäkologin zeigte, dass sich meine Gebärmutterschleimhaut nicht vollständig ablöste. Eine Ausschabung brachte nur mässigen Erfolg. Da meine Lebensqualität stetig abnahm, entschloss ich mich, gemeinsam mit meinem Mann im April 2013 dazu, die Pille zu nehmen, und so meine Menstruation zu regulieren. Uns beiden war klar: Das ist auch die Entscheidung gegen ein Kind oder wie ich es nenne: Die Entscheidung für die Kinderlosigkeit. Und damit begann die Achterbahn.

„Bin ich eine Frau, wenn ich keine Kinder habe? Habe ich das Recht, nicht alles zu versuchen, auf Pflegekinder und Adoption zu verzichten?“
Tagebucheintrag 4. April 2013
Immer wenn in meinem Leben Schwierigkeiten auftreten, versuche ich diese auch mit meinem Verstand zu verarbeiten. Ähnlich wie Hermine Granger in Harry Potter suche ich nach allem, was ich über dieses Thema lesen kann. Diesmal funktionierte diese Strategie jedoch nicht. Es fehlte schlicht an Lesestoff. Ich fand gerade mal ein einziges Buch und einen Text von Esther Quarroz im Netz. Offensichtlich gibt es eine unübersichtliche Menge an Literatur zum Thema Kinderwunsch, sprich wie bekomme ich ein Kind, wenn es nicht sofort klappt? Aber kaum Brauchbares zum Thema: Wie gehe ich damit um. wenn es wirklich nicht klappt?
Meine bisherige Strategie funktioniert also nicht und ich schlittere mitten in eine Krise.

„Ich habe es ausgesprochen: `Ich bekomme keine Kinder.‘ Es war schwierig, die Hilflosigkeit auszuhalten und das ‚Vielleicht geht es ja doch. Ihr könntet ja Pflegekinder aufnehmen‘ noch mehr.“
Tagebucheintrag, 16. April 2013
Kinderlosigkeit ist ein Tabu. So oft werde ich angesprochen, ob ich Kinder habe, und wenn ich ehrlich darauf antworte, dass es keine geben wird, entsteht peinliches Schweigen. Mein Gegenüber ist mit der Situation völlig überfordert und flüchtet sich ins Prinzip Hoffnung im Sinne von: „Ihr könnt ja adoptieren.“ Dass dies mir Minderwertigkeit suggeriert, weil ich kein Kind vorweisen kann, kommt keinem in den Sinn. Auf diesem Weg möchte ich mich bei Sandra bedanken, die in diesem Moment das Richtige gesagt hat. Nämlich schlicht: „Das tut mir leid!“

In diesem Leben gibt es nichts Grösseres und Schöneres als die Liebe unserer Kinder – denn sie tragen unser Herz.

Es gibt nichts Schöneres als Kinder!
(Spruch auf Facebook gepostet)

Ich kann es nicht mehr hören! Kinder, das grösste Glück dieser Erde! Das heisst doch, wenn ich keine Kinder habe, weiss ich nicht, was Glück ist? Diese Anmassung! Nur weil der Zufall ihnen geschenkt hat, was mir verwehrt bleibt, dürfen sie mich mit diesen Worten abwerten?
In der Stadt begegnen mir lauter Schwangere, die glücklich ihr Bäuchlein streicheln. Warum müssen sie ihr Glück so präsentieren?! Und alle Kinderwagen sind im Weg und natürlich müssen sie sich zur Hauptverkehrszeit in den überfüllten Bus zwängen. Und überall glauben sie Vortritt zu haben.
 Neid, Eifersucht, Wut.
Völlig unvorbereitet, wie alles was mit dem Thema zusammenhängt treffen sie mich, diese Gefühle. Und obwohl ich weiss, dass diese Gefühle ein Teil der Trauer sind, gestehe ich sie mir kaum zu. Mit Groll gegen die werdenden und seienden Mütter marschiere ich durch die Strassen.
Aber ich weiss auch, dass ich nicht in diesen Gefühlen haften bleiben will. Ich will keine verbitterte Tante (und ich bin tatsächlich schon dreifache Tante) werden.
„Mutter sein ist nicht meine Magie, aber ich werde sie finden.“
(5. April 2013)

Ich will Frieden schliessen mit meinem Leben, dem mir bestimmten kinderlosen Lebensweg. Das ist für mich schon von Anfang an klar. Gemeinsam mit Frau Quarroz, ihr Text im Internet hat mich zu einem Coaching geführt, mache ich mich aber erst im Sommer 2014 wirklich auf den Weg. so lange habe ich Zeit gebraucht, um zu betrauern, was ich nicht haben werde. Und auch heute gibt es noch Momente in denen sie kommen, die Traurigkeit, die Wut, das Verhandeln, „Warum ich nicht?“, der Schmerz darüber, dass ich alle die schönen Traditionen nicht werde weiter geben können.

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