Montag, 3. Dezember 2018

Was wir alleine nicht schaffen



Meine Lieben,

In meiner Tätigkeit als Pflegehexe begegne ich immer wieder der Frage, warum Pflegende in Politik und Gesellschaft so wenig Einfluss haben. Höchst selten werden in der Öffentlichkeit Pflegefachpersonen zum Pflegnotstand oder anderen Gesundheitspolitischen Herausforderungen angehört. «Weil wir keine Lobby haben.» Ist die häufigste Antwort auf diese Frage. Ich sehe das auch so. Pflegende hätten durchaus einiges zu sagen und es ist wichtig, dass Pflegende das Gesundheitswesen mitgestalten, da sie ein tragender Teil dessen sind. Deshalb sollten wir Pflegeden alles daran setzen eine Lobby aufzubauen. Um dies zu erreichen müssen wir einige Dinge tun und andere dringend lassen.

Lassen sollten wir, lieber gestern als heute und morgen das Konkurrenzverhalten. Wenn jede von uns tritt, kratzt und beisst um nach oben (wo und was auch immer dieses «oben» sein soll) zu kommen, gibt es schlussendlich nur Verlierer in Form von Schwerverletzten. Nichts blockiert uns Pflegende mehr, als dieses systematische, meist hinterhältige Messerstechen. Ich weiss wovon ich rede, auch in meinem Rücken steckten einst Messer, die mir von Arbeitskolleginnen hineingerammt wurden. Es war und ist für mich schwierig, solche Menschen zu erkennen, ihnen nur meine Frontseite zu zeigen und wenn möglich Abstand zu halten. Für mich fühlt sich das an, wie das schwimmen im Haifischbecken. Es kostet unglaublich viel Energie und Kraft in diesem Becken den Kopf über Wasser zu halten. Um eine Lobby zu schaffen, ist dieses Haifischbecken der falsche Ort. Und so rufe ich alle Pflegenden auf, steigt aus diesem Gemetzel aus.

Eine Lobby entsteht vor allem durch eines: Vernetzen. Männer sind, das muss ich neidlos gestehen, in dieser Disziplin meisterhaft. Ein äusserst weites und tragfähiges Netz ist dabei offensichtlich das Militär. Männern bedeutet es etwas, einmal (es ist auch egal ob es vor 20 Jahren war) zusammen «Dienst getan» zu haben. Sollen wir Pflegenden nun alle ins Militär? Nein, das meine ich natürlich nicht. Gerade an mir Pflegehexe hätten sie da keine Freude, ich hab’s nämlich nicht so mit Befehlen entgegen nehmen… Und doch denke ich, dass es in unserer Pflegewelt eine Parallele gibt: auch wir «tun zusammen Dienst». Gerade in Institutionen sind wir als Teams unterwegs. Für mich ist vernetzen auch eine Haltung, die wir im Team und in den Institutionen leben können. Es ist ein sich gegenseitig inspirieren, ermutigen und herausfordern. Vernetzen im Team ist für mich ein gemeinsames Kaffee nach der Nachtwache, das Feierabendbier, der Gruss auf die Nachbarstation, die Teamanlässe, die gemeinsamen Pausen.

Ein weiterer Bereich, in dem wir uns vernetzen können ist unsere Ausbildung. Wir alle sind einmal irgendwo in eine Pflegeberufsschule gegangen. Auch ich habe noch Kontakte von dieser Zeit. (Wenn auch lose, aber sie sind da.) Es ist wahnsinnig spannend zu sehen, wie sich die Klassenkolleginnen und Klassenkollegen entwickelt haben. Bei dieser Gelegenheit, liebe Grüsse an die Exoten Kurs 104 (Ihr wisst schon, dass ich Euch meine). Ebenso ist es aber auch eine sehr gute Gelegenheit zu erfahren, was in anderen Bereichen der Pflege abgeht. Ich stelle dabei immer wieder fest, dass sich die Probleme ähneln. Und weil dies so ist, liegt darin so viel Potential eine Lobby zu bilden. Noch effektiver wäre es, wenn die ganze Schule sich über die Ausbildung hinaus vernetzen würde. Genau das versucht das Berner Bildungszentrum Pflege (BZ Pflege) mit dem Verein Alumni zu erreichen. Bei eben diesem Verein durfte ich am 20. November ein kleines Referat zu meiner berufspolitischen Aktivität halten. Ich weiss, nicht alle haben gute Erinnerungen an die Ausbildungszeit. Und ganz ehrlich, auch ich habe mich mit leisem Schrecken an die unzähligen Gruppenarbeiten, Flipchartgestaltungen und Präsentationen erinnert. Der Vorstand ist jedoch mit Herzblut dabei und arbeitet unermüdlich daran, Alumni wachsen zu lassen. Aus meiner Sicht ist Alumni eine wunderbare Möglichkeit sich zu vernetzen.

Sich in einem Verein zu engagieren oder auch nur regelmässig die Anlässe zu besuchen benötigt Zeit. Zeit, die bei Pflegenden meist sehr rar ist. Die zeitsparendste Möglichkeit zu vernetzen ist Social Media. Ich nutze dieses Medium seit Beginn meiner Tätigkeit. Über meine Facebookseite habe ich einige sehr wertvolle Kontakte knüpfen können. Auf Facebook gibt es unzählige pflegespezifische Seiten. Da muss man/frau gut selektionieren um nicht in einer Informationsflut zu ertrinken. Ich persönlich kann mit Seiten auf denen ständig die Frage auftaucht «Darf mein Arbeitgeber das?» oder Seiten, die sich in «Ferndiagnostik» üben nicht viel anfangen. Empfehlen möchte ich die Seite «Pflege vernetzt» von Patrizia Tamborrini. Sie teilt auf ihrer Seite Artikel rund um die Pflege. (Ich selbst bin dort als Administratorin tätig, aber nur am Rande).

Vernetzen ist mit Einsatz und Herzblut verbunden. Die Früchte dieses Einsatzes können erst Jahre später geerntet werden. So möchte ich noch einmal alle Allumnis grüssen und an einen Satz aus meinem Referat erinnern:

«Was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen» (Xavier Naidoo)

Dieser Refrain geht noch weiter, und bezüglich Vernetzen ist er absolut passend:

«Doch wir müssen geduldig sein, dann dauert es nicht mehr lang.»

Eure Madame Malevizia

Ps. Für alle Interessierten, hier noch die Internetadresse von Alumni:
www.alumni-bzpflege.ch/