Montag, 6. September 2021

Wenn Betten eigentlich Menschen sind

 


Meine Lieben,

Dass die Betten auf der IPS langsam knapp werden, hat sich bereits herumgesprochen. Dass die Bettenzahl nicht einfach so erhöht werden kann, sickert auch ganz langsam durch. Ich wiederhole es hier aber gerne nochmal:

Es geht nicht um das Möbelstück, genannt Bett und auch nicht um die Geräte, die auf einer IPS zum Einsatz kommen. Mit «Bett» ist alles das gemeint, was ein IPS – pflichtiger Patient benötigt. Er benötigt eben auch eine Pflegefachperson FA Intensivpflege. Genau diese Pflegefachpersonen FA Intensivpflege sind es, an welchen es zur Zeit mangelt. Das kam nicht plötzlich und über Nacht. Und es gäbe viel dazu zu sagen, wie dieser hätte verhindert werden können. In diesem Blog soll es jedoch nicht darum gehen (Es kann sein, dass ich irgendwann mal auf diese Thema zurück komme).

Heute möchte ich erklären was es für die Bettenstationen bedeutet, wenn die IPS kaum mehr Betten hat. Immer wieder habe ich Nachtdienste erlebt, in denen ich die Information hatte, dass die IPS nur noch wenige, manchmal auch keine Betten mehr hat. Für mich hat das bedeutet: Ich kann Patienten erst verlegen, wenn es gar nicht mehr anders geht. Salopp ausgedrückt: Erst wenn wir kurz vor der Reanimation sind. Die wenigsten Patienten werden von jetzt auf sofort Reanimationspflichtig. Meist passiert das schleichend und alle Beteiligten sind sich einig, dass es am besten gar nicht so weit kommt. Es ist absolut zentral, dass rechtzeitig Massnahmen ergriffen werden können. Auch ein Aufenthalt auf der IPS ist von mehr Erfolg gekrönt, wenn dieser frühzeitig erfolgt. Als Pflegende auf der Bettenstation heisst das, wachsam sein, damit ich merken kann, wann die Situation ins lebensgefährliche kippt. Instabile Patienten sind auf der Bettenstation somit keine Seltenheit. Und damit meine ich nicht, dass sie Komplikationen haben könnten, sondern, dass bereits solche aufgetreten sind. Blutungen zum Beispiel. Und wenn dann kein IPS – Bett zur Verfügung steht, wird auf dem Bettenstationen das gemacht, was möglich ist. Volumengabe, Bluttransfusionen, Überwachung. Alles das ist zeitintensiv. Ebenfalls gilt es als Pflegende selbst die ruhig zu bleiben, denn die Patienten spüren meist, dass etwas nicht stimmt und benötigen unseren Beistand, während wir all unser Können und Wissen aktivieren, um sie zu stabilisieren. Und das, obwohl ich teilweise bis zu 11 andere Patienten zu betreuen habe, die alle auch instabil werden können. Nur vielleicht merke ich das dann nicht oder zu spät, weil ich mich gerade intensiv um den anderen instabilen Patienten kümmere.

Ebenfalls kann es bedeuten, dass ich einen Patienten von der IPS/IMC holen muss, weil dieser als 1. Verlegungsreserve gilt. Das heisst, dies ist der zurzeit stabilste Patient auf der IPS/IMC, der wenn es Betten braucht, verlegt wird. «Gott gebe das es klebe» ist da jeweils das Motto. Nicht selten müssen genau diese Patienten wenige Tage später wieder auf die IPS verlegt werden, weil sich ihr Allgemeinzustand erneut verschlechtert hat.

In der momentanen Diskussion wird immer wieder damit argumentiert, dass es ja noch Betten hat. Niemand, wirklich niemand, will erleben was geschieht, wenn die verfügbaren Betten in der gesamten Schweiz auf 0, in Worten Null, sind. Denn dann beginnt die Triage, heisst: Wer bekommt jetzt noch ein IPS – Bett und damit die Chance zu überleben, was auch immer sein Leben bedroht? Und wer nicht? Ich lade alle dazu ein, nur ein paar Sekunden die Augen zu schliessen und sich zu fragen: »Was wäre, wenn ich das entscheiden müsste?»

Mein Herz und meine Gedanken sind bei allen Pflegenden, die in diesem Spannungsfeld arbeiten und das nicht erst seit gestern. Auch nicht seit Beginn der Pandemie. Denn der Fachkräftemangel wurde schon vor Jahren fabriziert.

 

Eure Madame Malevizia.


Donnerstag, 2. September 2021

Wenn nicht jetzt, wann dann?


 

Meine Lieben,

Ich weiss noch, wie mein Weg als Pflegehexe begonnen hat. Es war fast zeitgleich mit der Lancierung der Pflegeinitiative. Damals am SBK – Kongress in Davos habe ich mir selbst gesagt: «Ich will etwas tun!» Aus diesem «etwas» wurde die Pflegehexe, mein Blog und das Ziel: «Ich will, dass der Fachkräftemangel zum Thema wird.»

Und jetzt wird es wirklich ernst. Am 28. November stimmt die Schweiz über die Pflegeinitiative ab. Bis dahin haben wir Zeit, die Stimmberechtigten von einem JA zu überzeugen. Das wird nicht leicht. Denn viele wissen nicht, worum es überhaupt geht. Viele können sich nicht vorstellen, was ein Fachkräftemangel in der Pflege bedeutet. Was er weiterhin bedeuten wird, auch wenn diese verfluchte Pandemie dann irgendwann vorbei ist. Ihnen muss deutlich gemacht werden, dass die Pflegeinitiative den gesetzlichen Rahmen bietet, den es braucht, um dieses Problem zu lösen.

Nun sind wir alle gefragt uns für dieses Ja stark zu machen. Ich rufe darum Euch alle auf. Engagiert Euch! Macht mit in den Regionalkomitees (auch ich bin stolzes Mitglied eines solchen). Informiert auf den Social – Media Kanälen über die Initiative. Und vor allem diskutiert mit, überall da wo es um die Pflege geht. Jetzt ist der Moment, in dem wir alle unsere Stimme erheben müssen. Jetzt ist der Moment, in dem wir allen zeigen können, was wird sind: Begabte, starke, kompetente Menschen, die für das was sie tun brennen.

Die nächste Covid – Welle rollt gerade über uns hinweg, wir sind gebeutelt von den letzten 1,5 Jahren. Viele von uns sind mehrfach belastet mit Familie, Job, und was es sonst noch alles gibt. Und jetzt sollen wir noch mehr Effort leisten? Aber wenn nicht jetzt, wann dann? Stand heute (2.9.21) sind es noch 88 Tage bis zum 28. November. Nehmen wir uns für 88Tage die Zeit, die Energie und den Mut uns für den schönsten Beruf der Welt einzusetzen. Für uns! Und für die nächste Generation.

Eine liebe Freundin hat letztens zu mir gesagt: 

«Ich will mir niemals vorwerfen müssen, nicht alles versucht zur haben.»

Ich schliesse mich ihrem Votum an. Ich weiss, dass Pflegende sehr kreative Menschen sind, und darum bin ich mir sicher, dass wir viele Aktionen, kleine und grössere auf die Beine stellen können. Ich selbst werde das tun, was ich am besten kann: schreiben. Erzählen, was mich bewegt, weitergeben was ich weiss. Und argumentieren, so oft und so weit wie ich kann.  

Machen wir diese 88 Tage zu den magischsten, verrücktesten, wunderbarsten, kämpferischsten, verbindendsten, wundervollsten Tagen, die wir je erlebt haben. Oder kurz gesagt: Einfach zu einer geilen Zeit.

Ganz unter dem Motto:

Wenn nicht jetzt, wann dann!

 

Eure Madame Malevizia