Samstag, 28. Dezember 2019

Chli Händli häbe




Es brauche keine Ausbildung um einer 90 jährigen das Händchen zu halten. So oder so ähnlich soll es eine Politikerin gesagt haben, als es um die Pflegeinitiative ging.

Dieser Ausspruch hat mich getroffen. Persönlich. Zeigt es doch, wie wenig die Leute da draussen über das, was Pflegende tun, wissen. Wie wenig Empathie sie Pflegenden entgegen bringen. Empathie, von der sie glauben, dass sie Pflegenden angeboren ist. Diese Empathie, das sich in andere Einfühlen können, bedingt jedoch, dass Pflegende zumindest eine Ahnung haben, was beim Gegenüber gerade passiert. Die Not eines von Depressionen betroffenen Menschen kann nur ansatzweise nachvollzogen, wenn Pflegende über das Fachwissen zum Thema Depression verfügen.

Dieses «chli Händli häbe» steht für mich jedoch auch noch für etwas anderes. Nämlich für das, was nicht messbar und somit auch nicht belegbar und nicht bezahlbar ist. Ich halte oder berühre nämlich tatsächlich Hände.

Immer wenn ich an das Bett einer Person trete, deren Bewusstsein langfristig oder auch kurzfristig beeinträchtigt ist, berühre ich als erstes ihre Hand. So trete ich ohne Worte mit ihr in Kontakt. Zeige, ihr, dass ich da bin. Ich kann ihr so auch ankündigen, dass ich gleich etwas an ihr tun werde. Ich mache das nicht instinktiv, sondern weil ich es gelernt habe. Basale Stimulation heisst das Konzept.

Ich halte die Hand eines Menschen bei einer schmerzhaften Intervention. Zum einen, damit er fühlt, dass er da nicht allein hindurch muss, zum anderen, dass er diese drücken kann, wenn der Schmerz zu gross wird. Ich tue das, während ich meiner Kollegin bei der Intervention assistiere. Ich mache es also zusätzlich, während mein Fachwissen gefragt ist, um meine Kollegin zu unterstützen.

Ich halte Hände während einer akuten psychischen Krise. Ich halte die Hand, um Kontakt herzustellen zu einem Menschen in grösster Not. In solchen Momenten kann es durchaus um Leben und Tod gehen. Ich höre zu und stelle gezielte Fragen, um daraus geeignete Interventionen abzuleiten.

Und ich halte imaginäre Hände. Es sind die Hände jener Patientinnen und Patienten, die auf der Intensivstation um ihr Leben kämpfen. Es sind die Hände von Angehörigen, die sich um ihre Liebsten sorgen oder sie verloren haben. Meine Gedanken sind bei ihnen und ich hoffe ihnen so etwas Beistand zu leisten. Das habe ich nicht gelernt, aber meine Berufs- und meine Lebenserfahrung lassen mich das tun.

Für jede Art des Händchen – Haltens werde ich nicht bezahlt, jedenfalls nicht materiell. Doch jede dieser Arten macht aus mir eine Pflegefachfrau. Und genau deshalb lasse ich es mir nicht nehmen, das «Händli häbe». 


Eure Madame Malevizia

Freitag, 11. Oktober 2019

Die Dinge beim Namen nennen




Meine Lieben,


Ich bin über eine Diskussion gestolpert. Sie wird gerade im Heft «Krankenpflege» geführt. Es geht dabei um die Schattenseiten der Pflege und darum ob «jammern» hilfreich ist.
Zuerst muss ich sagen, dass ich mit dem Wort «jammern» so meine liebe Mühe habe. In Diskussionen erlebe ich den Vorwurf des Jammerns als Gesprächskiller. Das Gegenüber fühlt sich angegriffen und hat nur noch die Möglichkeit, sich entweder zurück zu ziehen, oder anzugreifen. Bevor ich also selbst Stellung beziehe, möchte ich zuerst die Begrifflichkeiten klären.
Unter Jammern verstehe ich die Haltung: «Alles ist Scheisse, ich bin das Opfer und ich kann nichts daran ändern.» Es ist ein sich hinlegen, alle viere von sich strecken und warten bis man/frau gepampert und einem die Flasche gegeben wird.
Professionell ausgedrückt: Jammern hat für mich viel mit erlernter Hilflosigkeit zu tun. Dieses Verhalten empfinde ich als lähmend und für die Probleme mit denen Pflegende zu kämpfen haben, nicht sinnvoll.

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Nur über das Licht unseres Berufes zu sprechen, wäre eine Verzerrung der Realität. Und ebenso ungesund wie das Jammern. Es muss möglich sein, die Dinge beim Namen zu nennen. Und so wie es im Moment ist, läuft im Gesundheitswesen einiges schief. Wir Pflegenden baden da so einiges aus. Darüber müssen wir sprechen. Damit wir gehört werden und auch Teil einer Lösung sein zu können, müssen wir das laut und gezielt tun.
Ich bin also dafür, die Dinge beim Namen zu nennen. Manchmal sorgt dies schon für jene emotionale Entlastung die nötig ist, um weiter machen zu können. Zu merken, dass ich mit meinen Schwierigkeiten nicht alleine bin, kann sehr viel Kraft geben. Es kann innere Zweifel zum Verstummen bringen, zu erfahren, dass man/frau sich nicht einfach «dumm» anstellt, sondern die Probleme auch andere belasten.
Viele der Schwierigkeiten in der Pflege sind durch politische Entscheidungen zu verantworten und auch dort zu lösen. Um die Politik in Bewegung zu bringen braucht es Druck. Und diesen werden wir nur aufbauen können, wenn wir die Schattenseiten unseres Berufes öffentlich machen.
Die Dinge beim Namen zu nennen ist ein Anfang, doch wenn wir das tun, müssen wir weiter gehen. Jeder einzelne von uns, genau da wo wir jetzt gerade stehen. Ein wichtiger Punkt ist dabei, sich jenen Arbeitsbereich und Arbeitgeber zu suchen, dessen Haltung und Umsetzung dieser, die betreffende Pflegende leben kann. Bei einem so trockenen Markt bei den Fachkräften können Pflegende sich das leisten. Und damit geben sie auch ein wichtiges Signal an die Arbeitgeber, da so jene Fachkräfte rekrutieren können, die auch in die Pflegenden investieren.
Auch die Missstände am eigenen Arbeitsbereich anzusprechen und sich für Lösungen einzusetzen, wirkt der Hilflosigkeit entgegen. Das fordert bisweilen auch Kraft und Durchsetzungsvermögen. Es wird jedoch niemals so lähmend sein, wie alles widerspruchslos mit sich geschehen zu lassen.
Sich gewerkschaftlich und/oder politisch engagieren ist ebenfalls eine Möglichkeit die Zukunft der Pflege positiv zu gestalten.
Was auch immer Ihr tut, ich danke Euch schon jetzt dafür, dass Ihr Euch mit mir zusammen, für ein menschliches Gesundheitswesen einsetzt.

Eure Madame Malevizia

Sonntag, 18. August 2019

Die Argumente der Gegner - oder der gesunde Menschenverstand




Meine Lieben,

Mein heutiger Blog richtet sich an die Gegner der Pflegeinitiative und oder den Indirekten Gegenvorschlag, welcher schon bald im Parlament diskutiert werden wird. Ich habe mich mit ihren Argumenten befasst und es ist mir wichtig hier Stellung zu nehmen, damit auch Ihr Euch darüber Gedanken machen und auf diese entsprechend reagieren könnt. Dabei werde ich mich immer wieder auf ein Communiqué der Santésuisse beziehen, welches mich zu diesem Blog veranlasst. 


Der Sonderstatus

Es wird immer wieder geäussert, dass es nicht gehe einer Berufsgruppe, in diesem Fall also den Pflegefachpersonen einen Sonderstatus einzuräumen. Mir ist nicht ersichtlich, welcher Sonderstatus da gemeint ist.

Die gesetzliche Anerkennung der Pflege als eigenständiger Beruf ist kein Sonderstatus, es ist die Anpassung des Gesetzes an die Realität. Sollte dies nicht endlich umgesetzt werden, müsste die Pflege darüber nachdenken, die Realität dem Gesetz anzupassen. Übernehmen dann jene, die jetzt von Sonderstatus sprechen, die Verantwortung für das Leid und die Toten, die das nach sich ziehen würde?


Leugnen des bereits bestehenden Pflegenotstandes

Es ist eine absolute Frechheit den Pflegenotstand in der Schweiz bestreiten zu wollen. Wer das tut, verschliesst seine Augen und Ohren. Wer es öffentlich tut, reisst dafür den Mund umso weiter auf. Ich habe keine Lust mehr über Fakten zu diskutieren und an ihnen herum zu deuteln.


In anderen Ländern ist das Verhältnis Pflegende/ Patienten noch schlechter

Immer wieder werden wir Pflegenden als hysterische Hühner hingestellt, so nach dem Motto, tut doch nicht so, ist doch alles nicht so schlimm, in anderen Ländern sind die Bedingungen noch schlechter. Ich bin ehrlich entsetzt, dass die Satnésuisse sich qualitativ nach unten orientiert. Die Pflege ist der einzige Berufsstand, dem dies zugemutet wird. Einmal mehr wird den Pflegenden suggeriert, «Tut doch nicht so blöd, ist doch alles nicht so schlimm.» Man reiche mir bitte den Brechbeutel. Denn das ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten.

In Deutschland sterben mittlerweile Kinder, weil sie keinen Intensivpflegeplatz bekommen. Die Plätze wären physisch da, aber es fehlen die Pflegenden, welche sie betreuen können. Muss es in der Schweiz auch soweit kommen? Bereits jetzt werden in Institutionen Betten (Intensiv- und Bettenstationen) geschlossen, weil die Pflegenden fehlen.

Auch werden da Äpfel mit Birnen verglichen. Da sich die Ausbildungen sowie die Aufgabenbereiche der Pflege in den verschiedenen Ländern deutlich unterscheiden.



Die Akademisierung der Pflege ist Ursache des Fachkräftemangels

In gewissen Kreisen (santésuisse und gewisse Bürgerliche Parteien) hält sich hartnäckig das Gerücht, dass für eine professionelle Pflege der gesunde Menschenverstand ausreicht.

Ich nehme diese Menschen in Zukunft beim Wort. Jeder, der das behauptet, darf mit seinem gesunden Menschenverstand zu mir auf die Nachtwache kommen und meine 12 Patienten übernehmen. Ich bin gespannt, wie er/sie sich innerhalb von 30min einen Überblick verschafft, die Diagnosen der Patienten, sowie deren Operationen nachvollziehen kann und weiss, was über die Nacht bei ihnen zu tun sein wird. Ich werde gerne zusehen, wie er mit seinem gesunden Menschenverstand die Medikamente fachgerecht vorbereitet und verabreicht. Ich werde auch sehr gerne sehen, wie er/sie mit gesundem Menschenverstand die Drainagen der Patienten kontrolliert und deren Sekrete beurteilt. Und am meisten möchte ich miterleben, wie sie den Gesundheitszustand eines Menschen beurteilt, der von jetzt auf gleich hochinstabil ist. Wenn er es dann noch schafft, die notwendigen und lebenswichtigen Massnahmen einzuleiten, ist er Superman oder sie Wonderwoman.

Viele werden jetzt sagen, dass da natürlich nicht die Akutpflege gemeint sei, aber in der Langzeitpflege sei das schon so. Ich bin sicher, meine Kolleginnen und Kollegen werden mit Vergnügen zusehen, wie diese Menschen, bei bewegungsunfähigen Menschen, oder bei einem von Demenz Betroffenen, die Körperpflege durchführen. Gerne würde ich auch wissen, wie sie mit ihrem gesunden Menschenverstand einem Menschen mit Schluckstörungen das Essen eingeben, notabene ohne, dass dieser Mensch hinterher eine Aspirationspneumonie erleidet. Ich bin ehrlich daran interessiert, wie diese Menschen mit ihrem gesunden Menschenverstand es dann auch noch schaffen die Dokumentation so zu führen, dass die Krankenkasse für die erbrachten Leistungen bezahlt.

Es wird immer wieder argumentiert, dass die «Studierten» ja gar nicht mehr bei den Patienten seien. Gerade die Krankenkassen sollten sich da mal an der eigenen Nase nehmen. Sie sind es nämlich, die hochausgebildete Pflegefachpersonen in ihren Controllingabteilungen anstellen. Mit ihren besseren Arbeitsbedingungen werben sie diese den Institutionen ab. Es sind auch die Kassen, die nur bezahlen, was als wirksam erwiesen ist. Und wie soll bewiesen werden, dass diese oder jene Pflegeintervention wirksam ist, wenn die Pflege keine eigenständige Forschung betreiben kann?



Die Pflegeinitiative hilft nur den Pflegefachpersonen

Im Initiativtext geht es tatsächlich nur um die Pflegefachpersonen HF. Ich bin jedoch der Meinung, dass eine Ausreichende Anzahl Pflegefachpersonen in den Institutionen, auch den Fachangestellten Gesundheit sowie den Assistenzpersonen hilft. Sie müssten dann nämlich nicht mehr aus der Not heraus Aufgaben übernehmen, für die sie nicht ausgebildet sind und die viele von ihnen immer wieder überfordern.


Die Mengenausweitung

Dieses Argument habe ich bisher von allen Gegnern gehört/gelesen und ich nehme das echt persönlich!

Eines möchte ich mal wissen: Was haben Pflegende getan, dass es offensichtlich Anlass dazu gibt, anzunehmen, dass wir alle zum einen Betrüger und zum anderen geldgeil sind? Ist dieses Misstrauen einem Berufsstand gegenüber, der über Jahrzehnte dazu beigetragen hat, dieses Gesundheitssystem aufrecht zu erhalten, angebracht? 


Ich bitte Euch meine Lieben, genau diese Fragen zu stellen, wenn Ihr mit diesem Argument der Mengenausweitung konfrontiert werdet. Scheut die Diskussion mit den Gegnern nicht, Ihr habt jedes Recht, sie zu führen. Tut es nicht nur für Euch, sondern auch für jene, die auf uns angewiesen sind. 


Eure Madame Malevizia.

Dienstag, 4. Juni 2019

Die Pflegehexe und der Frauenstreik




Meine Lieben,

Am 14. Juni ist Frauenstreik. Ob frau dran teilnehmen will, möchte ich jeder einzelnen selbst überlassen. Es gib jedoch etwas, das mich in diesem Zusammenhang beschäftigt. Immer wieder wird in den Medien thematisiert, ob und wie die Pflegenden streiken werden. Vereinzelt appellieren die Arbeitgeber an die Vernunft der Pflegenden. Die meisten verlassen sich einfach darauf, dass die Pflegenden nicht in der letzten Konsequenz streiken werden. Und davon dürfen sie auch ausgehen. Weil Pflegende sich vor allem durch eines auszeichnen: Ihr Verantwortungsbewusstsein. Wir alle treten an, um für kranke und verletzte Menschen da zu sein. Das tun wir, mit unserem Wissen, unserem Können und auch mit unserem Herzen. Diese Menschen, die uns so sehr brauchen, lassen wir nicht einfach im Stich. Dies ist wohl der Hauptgrund, weshalb der Frauenstreik die Gesundheitsinsitutionen nicht so stark beeinträchtigen wird, wie er es könnte.

Ich sehe den Streik als allerletztes Mittel, um eine Veränderung herbeizuführen, vielleicht sogar zu erzwingen. Und das ist dann richtig und notwendig, wenn alles anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Und das sind sie aus meiner Sicht noch nicht. Die Pflegeinitiative, welche wichtige Voraussetzungen für die Pflege herbeiführen kann, ist gerade im Parlament. So ganz langsam scheinen die Politikerinnen und Politiker dieses Landes diesbezüglich aufzuwachen. Ich bin sehr dafür, dass wir ihnen (noch einmal) Zeit dazu geben, die Dinge in Ordnung zu bringen, die sie bis jetzt verschlampt haben.

Und doch werde ich am 14. Juni dabei sein. Ich werde mit so vielen anderen Frauen und Pflegenden auf dem Bundesplatz stehen. Ich werde dort stehen, für alle die Mütter, die es manchmal förmlich zerreisst, weil sie die Erwartungen ihrer Arbeitgeber, nämlich 24/7 verfügbar zu sein, einfach nicht erfüllen können. Nicht wenige müssen ihre Stelle schliesslich aufgeben, weil es einfach nicht geht. Ich werde dort stehen, für die jungen Pflegenden, die sich noch immer erklären müssen, dass ihr Beruf nicht nur «chly chrankeschwösterle» ist und nichts aber auch gar nichts mit sexy Hexy sein zu tun hat. Und ich werde dort stehen für alle Männer und Frauen, die diesen Beruf gerne ausüben würden, jedoch mit ihrem Lohn, die Familie nicht finanzieren können. Und noch mehr werde ich dastehen, für diesen wundervollen Beruf, der als «Frauenberuf» gilt und deshalb nicht die finanzielle und gesellschaftliche Anerkennung erhält, die ihm zusteht.

Vor allem aber, werde ich als Mahnung dort stehen. Als Mahnung für die Politikerinnen und Politiker, dass sie sich nicht weiterhin auf der Solidarität und dem Verantwortungsbewusstsein der Pflegenden ausruhen dürfen. Der Glaubenssatz: «Die nehmen alles hin.», wird nicht mehr ewig Gültigkeit haben. Und auch die Gesundheitsinstitutionen tun gut daran, jetzt hinzuschauen und in den «Erfolgsfaktor Mitarbeiterinnen» zu investieren. Eines muss nämlich allen klar sein: Wenn die Pflegenden streiken, ist die absolute Schmerzgrenze erreicht. Dann ist Ende der Fahnenstange. Dann steht nicht nur die Wirtschaft oder das öffentliche Leben still. Dann stehen Herzen still. Sie haben es in der Hand, dass es in der Schweiz niemals soweit kommt.

Eure Madame Malevizia.
Ps. Ich hoffe, am 14. Juni ist schöneres Wetter als auf dem Bild... ;-)

Mittwoch, 15. Mai 2019

Ein Brief von der Pflegehexe


Im April 2019
Werter Herr Cédric Wermuth
In den letzten Wochen haben Sie sich mehrmals zu gesundheitspolitischen Themen geäussert. Ein Umstand, der mich als Pflegehexe sehr freut. Es ist wirklich fatal, dass die Gesundheitspolitik fast ausschliesslich von Vertretern der bürgerlichen Parteien bestimmt wird. Die Folge ist eine Orientierung an den Bedürfnissen der Krankenkassen, welche, wer wollte es ihnen verdenken, vor allem an ihrem eigenen Gewinn interessiert sind. Darunter leiden die Patientinnen und Patienten als erste. Aber noch eine Bevölkerungsgruppe bezahlt den Preis dieser Form von Kapitalismus: Die Pflegenden. Sie sind es, die in den letzten Jahren ausgepresst wurden wie Zitronen. Und auch wenn schon längst kein Saft mehr da ist, es wird weiter gedrückt und gepresst. Bei jeder Sparrunde, egal in welchem Kanton, die Pflege wird weiter gerupft.

Als Pflegehexe habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, der Pflege eine Stimme zu geben. Ich will, dass sich die Politik mit den ethisch- moralischen Fragen auseinandersetzt, die sie bisher mir und meinen Berufskolleginnen und – Kollegen überlassen hat. Die Probleme im Gesundheitswesen gehen alle an! Vor allem die Politikerinnen und Politiker dieses Landes. Ich mache diese für mehrere Probleme im Gesundheitswesen verantwortlich, weil sie geschlafen haben. Anders kann es nicht zustande kommen, dass ein Verrechnungssystem (DRGs) eigeführt werden konnte, von dem man wusste, dass es die Pflege ungenügend abbildet. Und das tut es bis zum heutigen Tag.

Anders kann es nicht passieren, dass die gesetzlichen Grundlagen nicht gegeben sind, dass freiberufliche Pflegende ihre Materialkosten verrechnen können. Sie lesen richtig, Herr Wermuth, anders als jeder Handwerker, besteht die Gefahr, dass Pflegende auf ihren Materialkosten sitzen bleiben.

Vor dem KVG gelten Pflegefachpersonen heute noch als Hilfsberuf. Trotz der ganzen Verantwortung, die sie heute übernehmen, hat es bisher nur ein Politiker (Rudolf Joder) für nötig befunden, dies zu ändern.

Ich finde das traurig und auch etwas beschämend. Und Sie? Sie denken jetzt wahrscheinlich, ich würde mich besser an das Parteipräsidium wenden. Das habe ich bereits. Herrn Levrat habe ich auch gefragt, warum das Gesundheitswesen im Parteiprogramm nicht vorkommt. Das tut es nämlich nicht, ich habe es gelesen. Auch habe ich Herrn Levrat 4 Fragen gestellt, welche für mich und die Pflegenden von Bedeutung sind. Ich warte bis heute auf eine Antwort…

Da mir mein Berufsstand wichtig ist und ich der Überzeugung bin, dass die Pflege und eine ausreichende Gesundheitsversorgung von elementarer Wichtigkeit sind, lasse ich mich nicht einfach mit Schweigen abspeisen und frage deshalb Sie, als Ständeratskanditat:

          Was für eine Pflege wollen Sie für die Schweizer Bevölkerung?

Kommen Sie mir jetzt aber nicht mit Schlagworten wie qualitativ hochstehend und effizient! Damit können die Pflegenden an der Basis nichts anfangen.

          Was tut Ihre Partei und Sie persönlich, damit diese Pflege realisiert werden kann?

          Wo sollen Pflegende rationieren, wenn plötzlich mehrere 100 Stellenprozente fehlen, jedoch keine Betten geschlossen werden können?

Zum Schluss noch eine etwas politischere Frage:

          Für welche Massnahmen macht sich Ihre Partei stark, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken?

In der Hoffnung, dass Sie sich die Mühe machen werden, meine Fragen zu beantworten, verbleibe ich mit freundlichen Grüssen und wünsche Ihnen Gesundheit, das höchste Gut, das keiner kaufen kann.



Madame Malevizia



Ps. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass dieser Brief, sowie eine allfällige Antwort auf meinem Blog sowie auf meiner Facebookseite veröffentlicht wird.

Montag, 6. Mai 2019

Dranne bliebe / Schrittmacherin 2/19




Die Mühlen der Politik mahlen langsam. Noch langsamer und sie würden rückwärts gehen. Ein Umstand, der mich regelmässig zur Weissglut treibt. Genauso sehr, wie die Floskeln von Politikerinnen und Politikern, mit welchen sie die Pflegenden noch immer zu beruhigen versuchen. Es sind Sätze wie: «Wir haben das Problem erkannt und werden bald Massnahmen ergreifen.» Ich könnte jedes Mal laut schreien, wenn ich das höre oder lese. Das Problem ist erkannt, dank mehreren Studien, welche den Fachkräftemangel einwandfrei belegen. Niemand kann es sich mehr leisten, dies zu bestreiten. Von Massnahmen sehe ich jedoch nichts. Der DRG bildet die Pflege noch immer nicht adäquat ab, die Miguel – Krise ist nur halbwegs gelöst, die Pflegenden dokumentieren sich einen Wolf, der Pflegenotstand spitzt sich weiter zu und vor dem Gesetz gilt die Pflege weiterhin als Hilfsberuf.

Darum heisst es für uns alle: «dranne bliebe!». Einfach aufgeben ist keine Option. Dafür steht zu viel auf dem Spiel: Ein wundervoller Beruf und vor allem die Menschlichkeit in unserem Gesundheitswesen. Ein Gesundheitswesen ohne Menschlichkeit, ist auch ein Gesundheitswesen ohne Ethik und Moral. Mit der Pflegeinitiative hat der SBK die Politik gezwungen, Farbe zu bekennen und mehr zu liefern, als nur ein paar warme Worte. Was nicht heisst, dass sie es nicht trotzdem noch immer versuchen. Schliesslich haben sich die Pflegenden jahre- wenn nicht jahrzehntelang mit ebendiesen netten Worten und einem Schulterklopfen abspeisen lassen. Darum heisst es für den SBK «dranne bliebe». Im Parlament wird ein Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative diskutiert. Diesen gilt es zu prüfen und sollte er nicht das erfüllen, was die Pflegenden brauchen, um ihre Arbeit machen zu können, braucht es den Mut und den langen Atem des SBKs eine Volksabstimmung zu riskieren.

Auch ich will «dranne bliebe», und versuche jenen eine Stimme zu geben, welche die Worte für das, was sie fühlen und erleben nicht finden. Ich bin dankbar, dass so viele Menschen mit dabei helfen, diese Stimme zu verbreiten, Dafür möchte ich hier Danke sagen.

Ich wünsche mir, dass alle Pflegenden «dranne bliebe» und sich weiterhin stark machen für unseren Berufsstand. Dies heisst für mich, dass sie in ihrem Umfeld erzählen, was der Pflegenotstand konkret bedeutet und noch wichtiger: Mit diesem Umfeld über konkrete Lösungen sprechen. Es muss das Ziel sein, dass diese Themen öffentlich diskutiert werden. Je mehr sich die Gesellschaft damit auseinandersetzt, desto mehr Gewicht werden diese Themen auch politisch haben. Und dann kommt sie vielleicht doch noch in Bewegung, die schwerfällige Mühle der Politik.

Eure Madame Malevizia

Donnerstag, 4. April 2019

Die Würde des Menschen ist unantastbar




Meine Lieben,

Ich habe geglaubt mich knutscht ein Elch, als ich den Artikel zur Pflegeinitiative in der NZZ las. «Krankenkassen warnen vor dem teuersten Volksbegehren aller Zeiten» ist der Titel, der mich schon das erste Mal in die Tischplatte beissen lässt. Dass die Krankenkassen, die Pflegeinitiative angreifen würden, ist mir von Anfang klar gewesen. Schliesslich geht es um ihren ganz persönlichen Garten. Nicht nur, dass die Krankenkassen einen Teil ihres finanziellen Kuchens abgeben müssten, mit der Pflegeinitiative hat die Pflege auch einen gewissen politischen Einfluss gewonnen. Dass dies den Krankenkassen, die im Gesundheitswesen quasi ein politisches Monopol hat, nicht passt, ist nachvollziehbar. Doch nun zum Artikel: Diesen werde ich nun gerne kommentieren und zu einigen der gemachten Aussagen Stellung nehmen.
«Problemlos kamen angesichts dieser weit verbreiteten Sympathie genügend Unterschriften für ein Volksbegehren zusammen, das eine «starke Pflege» fordert. Wer hat schon etwas dagegen, die Frauen und Männer besserzustellen, die sich so aufopferungsvoll um die Patienten in Spitälern und Heimen kümmern?»
Ganz massiv störe ich mich am Wort «aufopferungsvoll» da dieses das Bild der barmherzigen Schwester suggeriert. Pflegende sind jedoch nicht «aufopferungsvoll». Wenn wir uns nämlich «opfern» würden, würden wir uns weiterhin alles gefallen lassen. Dann gäbe es die Pflegeinitiative gar nicht. Die Gesellschaft (und offensichtlich auch der Autor dieses Artikels) muss endlich zur Kenntnis nehmen, dass Pflege eine Profession ist, die ein hohes Mass an Wissen und Können erfordert. Liebe und Herz zu dem was man tut gehört ebenfalls dazu, es reicht aber alleine nicht aus! Schon lange nicht mehr! Gerne verweise ich hier auf meinen Blogartikel «Chly chrankeschwösterle», dort beschreibe ich sehr genau was Pflegende heute tun. Die Pflegeinitiative beabsichtigt nicht, Pflegende «besserzustellen». Sie will, dass die Pflegenden das bekommen, was ihnen zusteht: Die Rahmenbedingungen, um ihre Arbeit so zu machen, wie sie es gelernt hat. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Die Bevölkerung hat genau dies begriffen und die Pflegeinitiative deshalb auch so zahlreich unterschriben.
«Doch ein zentraler Aspekt wurde bis anhin kaum diskutiert: die Kosten.»
Ich war an der Pressekonferenz zur Lancierung der Pflegeinitiative anwesend. Die erste Frage, welche von den Journalisten kam: «Was wird das kosten?» Und nur weil Yvonne Ribi (Geschäftsführerin des SBK) sich weigerte, sich auf Spekulationen einzulassen, wurde da nicht schon auf dem finanziellen Aspekt herumgeritten. Es geht hier jedoch um mehr als die finanziellen Kosten. Wenn nicht gehandelt wird, steht mehr auf dem Spiel, als Geld. Viel mehr: Menschenleben und die Würde von Menschen, die Pflege benötigen ebenso wie die der Pflegenden. «Die Würde des Menschen ist unantastbar.» Dies ist ein Menschenrecht. Es wäre schön, wenn jeder, der sich mit der Pflegeinitiative beschäftigt, sich dieses nicht nur hinter die Ohren schreiben, sondern vor Augen halten würde.
««Wir fürchten, dass das Parlament unter dem Druck der Initiative ein reines Wunschkonzert abhält, ohne die finanziellen Folgen im Blick zu haben», sagt Verena Nold, Direktorin von Santésuisse»».
Diese Aussage zeigt deutlich, wie viel Angst die Santésuisse hat, ihren grossen Einfluss auf die Politik einzubüssen. Zur eigentlichen Aussage:
Was für ein Wunschkonzert? Die Pflegenden wollen weder den ausgerollten Teppich, noch goldene Wasserhähne, noch sonst irgendwelchen Schnickschnack. Sie wollen, ihre Arbeit machen können, ohne dabei Gefahr zu laufen, selbst drauf zu gehen. Die Politik ist glücklicherweise etwas von ihrem Tiefschlaf erwacht und hat begriffen, dass sie jetzt etwas tun muss, bevor der Fachkräftemangel völlig eskaliert.
«Der Krankenkassenverband hat deshalb eigene Berechnungen angestellt – und kommt auf alarmierende Zahlen.»
Präsentiert hat der Krankenkassenverband jedoch nur die Resultate ihrer Berechnung. Wo ist die Rechnung? Worauf stützen sie ihre Annahmen? Ein solches Vorgehen halte ich für höchst unseriös und eines Verbandes mit solch hohem Einfluss für absolut unwürdig. Solange nicht die gesamte Berechnung zugänglich ist, ist diese für die Diskussion der Pflegeinitiative als nicht relevant zu ignorieren.
«In den nächsten Jahren kommen die Babyboomer ins Pflegeheim oder benötigen Spitexleistungen daheim. Um diesen Andrang zu bewältigen, braucht die Schweiz bis ins Jahr 2030 rund 30 000 zusätzliche Pflegende, auf Vollzeitpensen gerechnet. Das erhöht die Lohnkosten laut Santésuisse um rund 2,7 Milliarden Franken pro Jahr – völlig unabhängig von der Pflegeinitiative. Doch diese dürfte dazu führen, dass die Einkommen sowohl der bisherigen rund 144 000 wie auch der zusätzlichen Pflegenden steigen.»
Ich habe schon mehrfach betont, dass der Pflegenotstand nicht droht, sondern bereits Realität ist. Die Zahlen sprechen eine so deutliche Sprache, dass sich hoffentlich auch die Santésuisse nicht die Blösse geben wird, diese anzuzweifeln. Dass mehr Pflegefachpersonal, mehr kosten wird, ist logisch. Dass mehr Pflegefachpersonal benötigt wird ebenfalls. Dafür sind jedoch nicht die Pflegenden selbst nicht verantwortlich. Ihnen das jetzt quasi vorzuwerfen empfinde ich als eine Frechheit.
«Denn die einfachste Methode, die Attraktivität eines Berufs zu erhöhen, läuft über das Portemonnaie.»
Richtig, es ist die einfachste Methode, aber lange nicht die einzige. Ich persönlich setze mich nicht für die Pflegeinitiative ein, weil ich unbedingt mehr Lohn will. Wenn ich das wollte, wäre ich längst in irgendeiner Kaderstelle, wo ich diesen hätte. Ich mache mich für die Pflegeinitiative stark, weil ich mehr Kolleginnen und Kollegen an der Basis, also am Bett brauche! Der Lohn hat bestimmt einen Einfluss, das will ich nicht bestreiten. Ein Salär, welches es den Pflegenden ermöglich eine Familie zu ernähren, ohne dass sie dabei eben jene gar nicht mehr zu Gesicht kriegen, ist allerdings gemessen an der erbrachten Leistung nicht zu viel verlangt.
Offensichtlich ist die Santésuisse zu fantasielos, um weitere Massnahmen zu erkennen, die den Pflegeberuf attraktiver machen könnten. Sollte es den Politikerinnen und Politikern ebenso gehen: Sie dürfen sich gerne bei mir melden, ich wüsste da so einiges…
«Der Krankenkassenverband befürchtet zudem eine Mengenausweitung, die bis zu 1,6 Milliarden Franken kosten würde. Denn die Pflegefachleute dürften künftig ohne Plazet eines Arztes Leistungen abrechnen.»
Die liebe Mengenausweitung. Ich weiss nicht wie oft ich dieses «Totschlagargument» schon gehört und gelesen habe. Die Santésuisse bezahlt also lieber weiterhin die Ärzte dafür, dass sie absoluten Nonsens, nämlich Bedarfsabklärungen unterschreiben, tun. Es ist den Ärzten absolut unmöglich, beurteilen zu können, ob diese Abklärungen stimmen oder nicht. Ihnen fehlt nämlich die Zeit dazu, denn auch die Ärzte haben ein massives Ressourcen -  Problem. Und wenn sie diesen Nonsens nicht mehr tun müssten, hätten sie mehr Zeit für ihre wirklichen Aufgaben.
Das Herzstück der Pflegeinitiative ist das Ziel, den Pflegenden eine Eigenverantwortung vor dem KVG zu geben. Und diese steht ihr verdammt nochmal (exgüse für die Wortwahl, geht gerade nicht anders) zu! Pflegefachpersonen sind schon lange keine Hilfskräfte mehr. Wenn sie die Verantwortung im Alltag nicht übernehmen würden, hätte es schon lange Tote gegeben.
«…dass sich ein beträchtlicher Teil des Personals zur nächsthöheren Stufe ausbilden lässt, etwa von der Fachfrau Gesundheit zur Pflegefachfrau – mit entsprechend höheren Einkommen.»
So eine Frechheit aber auch, dass sich Pflegende weiter entwickeln wollen und für das was sie tun entsprechend entlöhnt werden wollen. Sagt mal geht’s noch? Wir haben in der Schweiz einen eklatanten FACHKRÄFTEMANGEL und eines der grössten Probleme ist, dass die FAGEs eben genau das nicht, oder noch zu wenig tun!
«Falls die Berechnungen des Krankenkassenverbands auch nur annähernd stimmen, könnte die so harmlos erscheinende Pflegeinitiative zu einem der kostspieligsten Volksbegehren aller Zeiten werden. Die gut 5 Milliarden Franken entsprächen dem gesamten Armeebudget. Sie würden rund 5 Prozent der Gesundheitsausgaben ausmachen.»
Der Satz beginnt mit «falls» und genau das bezweifle ich ernsthaft. Bei der Entscheidung Pflegeinitiative Ja/nein, wird sich die Gesellschaft auch die Frage stellen müssen: Wo setzen wir unsere Prioritäten. Wie wichtig ist uns ein menschenwürdiges Gesundheitswesen? Hier wird von 5% der Gesundheitsausgaben gesprochen. Ich frage: Wo zum Geier gehen die anderen 95% hin?
««Die Bedingungen für die Pflege sind in der Schweiz vergleichsweise gut. Deshalb drängt sich kein Ausbau auf», sagt Direktorin Nold.»
Und das ist eine Klatsche ins Gesicht jeder einzelnen Pflegenden dieses Landes! Das Gesundheitswesen ist nur noch nicht kollabiert, weil die Pflegenden über alle Massen hinaus leisten. Sie tun es, weil sie die ihnen anvertrauten Menschen und auch ihre Betriebe nicht im Stich lassen wollen. Den Preis dafür zahlen viele körperlich und seelisch. Die Pflege hat lange Zeit still gehalten, dass sie überhaupt den Schritt zur Lancierung einer Initiative gewählt hat, zeigt, wie hoch der Leidensdruck ist. Nicht einmal mehr die Politik spricht den hohen Handlungsbedarf ab. Frau Nold hat sich mit dieser Aussage gerade selbst disqualifiziert und zeigt, wie wenig, sie von der Pflegewelt weiss.
«Die hiesigen Pflegenden müssen sich um deutlich weniger Patienten pro Schicht kümmern als ihre Kolleginnen in Deutschland oder Spanien.»
Die Santésuisse scheint sich qualitativ lieber nach unten als nach oben zu orientieren. Kann man machen, ist aber weder zeitgemäss noch das, was die Wirtschaft zur Zeit verlangt. Die Verhältnisse in Spanien kenne ich nicht. Die von Deutschland aber durchaus. In mehreren Bundesländern sind Pflegende im Streik (z.B Saarland). Die Pflegenden überhäufen die zuständigen Stellen mit sogenannten «Überlastungsanzeigen», ihr einziges Mittel, ihre Not mitzuteilen. 1 Pflegende für 20 Patienten. Ist das der Massstab den die Santésuisse anwenden will? Eine menschenwürdige Pflege ist so nicht mehr machbar! Dass die Aussage zwischen den Zeilen, nämlich «Hört doch auf zu jammern» an Arroganz nicht mehr zu überbieten ist, brauche ich nicht extra zu erwähnen.
«Auch die Patienten bewerten die Qualität der Pflege regelmässig als sehr hoch – das wäre kaum der Fall, wenn das Personal permanent überstrapaziert oder demotiviert wäre.»
Das ist so, weil die Pflegenden alles daran setzen, ihre Arbeit, die sie lieben so gut als möglich zu machen. Das ist so, weil Pflegende Überstunden schieben, ihre Pausen weglassen, manchmal auch zu wenig trinken und erst im letzten Moment zur Toilette gehen, um das eigentlich Unmögliche noch möglich zu machen. Ist es wirklich nötig das Pflegende erst dann ernst genommen werden, wenn sie ihre Berufsehre aussen vor und das Gesundheitswesen gegen die Wand knallen lassen?

Yvonne Ribi, die Geschäftsführerin des SBK hat in diesem Artikel ebenfalls eine Stimme bekommen. Danke, Yvonne, für Deine treffenden Worte, mit denen Du Dich der Santésuisse entgegenstellst. Ich möchte nur auf zwei von Yvonne Ribis Ausführungen eingehen:
«Mit einer eigenen Kostenschätzung Santésuisse kontern will der SBK nicht. «Denn jede Schätzung, die nicht auf verschiedenen Szenarien beruht, ist unseriös.»»
Ich bin froh, dass der SBK nicht auf so einen «Zahlenkrieg» eingeht. Wenn Zahlen genannt werden, müssen diese Hieb- und Stichfest sein. Diese Professionalität ist der SBK seinen Mitgliedern und allen Pflegenden schuldig. Schön, nehmen sie diese Verantwortung wahr.
«Und das menschliche Leid bei schlechter und fehlender Pflege sei ein zentraler Faktor, der nicht «monetarisierbar» sei.»
Damit ist alles gesagt.
Ich möchte diesen zugegeben langen Blog abschliessen mit den Worten, die wenn es um das Gesundheitswesen geht, von zentraler Bedeutung sind:
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Eure Madame Malevizia

Dienstag, 12. Februar 2019

Gloub a Di - Schrittmacherin 1/19



Wir Pflegenden sollten uns selbst öfter mal im Spiegel sagen: «Gloub a Di.»

«Gloub a Di», wenn Du eine neue Stelle antrittst. Alles ist neu, das Team, die Abläufe. Lange Zeit suchst Du Dich verzweifelt durch die Station. Wo war nochmal das Stationszimmer? Das Verbandsmaterial ist doch in diesem Schrank. Ah nein, da ist das Inkontinenzmaterial. Und wo ist nun das Zimmer des Patienten, wo ich den Verband machen sollte? Alles dauert länger, eben weil Du suchst und selten sofort findest. Die Kollegen musst Du mit unendlich vielen Fragen löchern. Da ist es verständlich, dass in einer ruhigen Minute das Gefühl aufkommt: Ich kriege das niemals auf die Reihe. In so einer Situation ist es gut, Ruhe zu bewahren, Dir Zeit zu lassen. In einem Jahr wird alles schon ganz anders aussehen.

«Gloub a Di», wenn Du Dich mit Ärztinnen und Ärzten auseinandersetzen musst. Ich höre da immer wieder irritierende Dinge, die an Frechheit grenzen. «Wer hat von uns beiden denn studiert?» ist da noch harmlos. «Ich habe mein Diplom auch nicht im Lotto gewonnen» sollte nicht unbedingt laut ausgesprochen werden. Gedacht, sorgt er für das Auftreten, welches Du brauchst, um einem solchen Schnösel Dein gesamtes Fachwissen um die Ohren zu hauen. Das tust Du dann nicht nur für Dich, sondern für die Menschen, um die es geht: Die Patientinnen und Patienten.

«Gloub a Di», wenn Du Dich mit Deinem Arbeitgeber auseinandersetzt. Dabei ist wichtig, sachlich bleiben, klare Forderungen stellen und Dir selbst im Klaren sein, was Du tun willst, wenn diese nicht erfüllt werden. Kenne Deinen Wert. Es gibt Arbeitgeber, die wollen Dir einreden, Du seist ersetzbar. Ihnen darfst Du offen ins Gesicht lachen, Der Fachkräftemangel ist mit mehreren Studien belegt. Kein Arbeitgeber wird davon verschont. Ein Arbeitgeber, der sich Deines Wertes nicht bewusst ist, ist es nicht Wert, dass Du Deine Energie für ihn aufwendest. Und weil Du an Dich glaubst, weisst du auch, dass Du jederzeit eine neue Stelle finden wirst.

Eure Madame Malevizia

Dienstag, 22. Januar 2019

Fünf nach zwölf


«Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern bereits fünf nach zwölf.» Diesen Satz habe ich kürzlich einigen Parlamentariern um die Ohren gehauen. Gerade jetzt hätte ich grosse Lust, diesen Satz riesengross auf das Bundeshaus zu schmieren. Dazu bin ich aber zu nett.

In der ganzen Diskussion und Zahlenschieberei rund um den Fachkräftemangel, scheint eines immer noch nicht klar zu sein, der Pflegenotstand droht nicht. Er ist bereits Realität.

-        Wenn Intensivpflegebetten notabene auch auf der Neonatologie, geschlossen werden müssen, weil ausgebildetes Pflegefachpersonal fehlt,

-        Wenn öffentliche Spitäler mehrfach kurzfristig Betten schliessen müssen, weil personelle Ausfälle nicht mehr kompensiert werden können,

-        Wenn Patienten vor Schmerzen schreien oder lange Zeit in verschmutzten Betten liegen, weil die einzige verfügbare Pflegende gerade dabei ist, einen weiteren Patienten in akuter Lebensgefahr auf die Intensivstation zu verlegen,

-        Wenn Menschen in akuten psychischen Krisen mit Medikamenten ruhiggestellt werden müssen, weil eine adäquate Krisenintervention mit dem aktuellen Personalbestand schlicht unmöglich ist,

-        Wenn Menschen mit dementieller Veränderung im Sommer nahezu verdursten, weil niemand das leere Glas wieder auffüllt,

-        Wenn betagte Menschen wundliegen, weil es den Pflegenden zeitlich nicht mehr möglich ist, diese fachgerecht zu lagern,

-        Wenn Studierende nicht mehr angemessen ausgebildet werden können, sondern als «Arbeitskraft» funktionieren müssen,

-        Wenn Pflegende täglich mehrere Stunden Überzeit machen, um wenigstens eine sichere Pflege gewährleisten zu können,

-        Wenn wichtige Behandlungen nicht durchgeführt werden können, weil niemand über das notwendige Know How verfügt,

dann ist das die hässliche Fratze des Pflegenotstandes. Dies sind die Fakten, die sich nicht mehr schönreden lassen.

Darum rufe ich jetzt auf:

1.     Den Bundesrat, mit seiner «Pflästerlitaktik» aufzuhören und endlich seine Hausaufgaben zu machen. Der Pflegenotstand wird sich ohne finanzielle Investition nicht lösen. Ich lasse mir nicht mehr erzählen, dass dieses Geld nicht beschafft werden kann. Für die Olympiade in der Schweiz eine Milliarde reserviert. Und für die Pflege soll nichts da sein? Wen wollen die Damen und Herren Bundesräte eigentlich verar…?



2.     Die Politikerinnen und Politiker in National- und Ständerat. Der Pflegenotstand gehört auf Ihre Agenda. JETZT! Sorgen Sie dafür, dass die Pflege in den DRGs adäquat abgebildet ist. Kümmern Sie sich darum, dass Pflege vor dem KVG endlich als eigenständiger Beruf gilt. Schaffen Sie die Voraussetzungen dafür, dass Pflegende mit ihrem Lohn eine Familie ernähren können, ohne dabei zwangsläufig direkt in ein Burnout zu rasen. Und schauen Sie endlich hin, wo die Krankenkassenprämien versickern. Ich garantiere Ihnen, es wird nicht in der Pflege sein.



3.     Die Politikerinnen und Politiker der Kantonsregierungen. Sorgen Sie dafür, dass Pflegende in Zukunft von Sparübungen auf ihrem Rücken verschont werden. Sie haben wahrlich genug geblutet. Oder wie Pierre André Wagner mal gesagt hat: «Eine ausgepresste Zitrone kann nicht noch mehr ausgepresst werden».



4.     Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, investieren Sie in Ihre Pflegenden und setzen Sie sich für sie ein. Gehen Sie neue Wege, mit Arbeitszeitmodellen, die es auch Müttern und Vätern ermöglicht, im Beruf zu bleiben. Machen Sie Ihren Notstand öffentlich. Ich weiss, Sie haben Angst um Ihr Image. Aber wenn es alle Institutionen tun, wird das den Druck auf die Politik entsprechend erhöhen und diese vielleicht endlich in Bewegung bringen. Stehen Sie dazu, dass der Auftrag eine adäquate gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen und dabei noch Gewinn zu erzielen schlicht utopisch ist.



5.     Alle Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, 2019 ist Wahljahr. Denken Sie nach, wen und was Sie wählen. Sollen es wirklich wieder jene sein, die sich einen Sch… um den Pflegenotstand kümmern, und für die im Gesundheitswesen nur ein Player existent ist, nämlich die Krankenkassen? Schauen Sie sich die Kandidatinnen und Kandidaten gut an. Was für einen Beruf üben sie aus oder haben sie aus. Wie äussern sie sich zum Gesundheitswesen, äussern sie sich überhaupt? Und sollte es tatsächlich zur Abstimmung über die Pflegeinitiative kommen, weil es auch das Parlament nicht schafft, einen brauchbaren Gegenvorschlag zu formulieren, stimmen Sie um Himmels Willen JA!



6.     Alle Pflegenden. Wir müssen aufstehen! Fertig mit nett sein! Auch mir fällt das bisweilen schwer, schliesslich wurden wir anders erzogen. Besteht auf Eure gesetzlich gesicherten Rechte! Informiert Euch, was Euch zusteht und fordert das auch ein. Ideen, wie für Pflegende auf Intensivstationen die 50 Stundenwoche einzuführen (siehe Blick.ch am 21.01.19) gehören im Keim erstickt. Auch ich würde mir sehr wünschen, einfach meinen geliebten Job machen zu können. Doch wenn wir uns jetzt nicht politisch engagieren, und richtig laut sind, werden wir das, was wir so sehr lieben, verlieren.

Also, wer kommt jetzt mit mir «Äs isch füf ab zwölfi» ans Bundeshaus schmieren?



7.     Alle Patientinnen und Patienten, Bewohnerinnen und Bewohner und ihre Angehörigen, wenn Sie nicht gerade in absoluter Lebensgefahr oder sonst Ihrer Stimme und Sinne nicht mächtig sind, sagen Sie «bitte» und «danke, schenken Sie den Pflegenden auch mal ein Lächeln. Es kostet Sie nichts, erinnert uns Pflegenden aber daran, warum wir tun, was wir tun. Diese kleinen Gesten können der Grund sein, dass Pflegende noch länger durchhalten.



Ich stelle hier viele Forderungen. Ich stelle sie nicht für mich alleine, ich stelle sie für den Beruf, den ich unglaublich liebe, für meine Kolleginnen und Kollegen, die im Alltag alles geben. Ich stelle diese Forderungen, weil ich für Menschlichkeit im Gesundheitswesen kämpfe, bis zum letzten Atemzug. Ok, das ist jetzt sehr pathetisch, sagen wir ich kämpfe, bis ich ans Bundeshaus schmiere: «Jetzt schlägts 13!». Dann muss ich wahrscheinlich aufhören, weil ich wegen Sachbeschädigung und grobem Unfug festgenommen werde.

Eure Madame Malevizia