Montag, 30. Juli 2018

Kolumne Schrittmacherin 5 - Ä Liebi si...


«Ä Liebi si»

Es ist ein Mythos, der sich hartnäckig hält. Pflegende müssen «Liebi si.». Doch ä «Liebi si» reicht für diesen Beruf einfach nicht aus. «Für Pflegende ist doch vor allem das Herz wichtig.» hat mal ein Angehöriger zu mir gesagt. Mich hat dieser Ausspruch sehr beschäftigt, denn er hat mich verärgert. Was mich dabei verärgert hat? Weil «ä Liebi si», die Pflegenden auf einen uralten und schlicht falschen Streotypen reduziert: Den der barmherzigen Schwester. Ich bezweifle ernsthaft, dass es diese mystische barmherzige Schwester jemals gab.

Mit «ä Liebi si» lässt sich in unserem Beruf kein Blumentopf gewinnen. Nicht für die Pflegenden selbst. «Ä Liebi si» würde nämlich bedeuten, dass sich die Pflegenden weiterhin zu everybodies Depp machen lassen. In der momentanen kritischen Situation was die Ressourcen betrifft, müssen Pflegende klar und differenziert kommunizieren, welche Aufgaben sie wie übernimmt. In der Zusammenarbeit mit den interdiszipliniären Diensten ist Fachkompetenz gefragt. Offene Auseinandersetzungen und auch Hinterfragen sind nötig.

Aber auch und vor allem die Patientinnen und Patienten haben nichts von Pflegenden, die nur «ä Liebi» sind. Denn nur mit «lieb si», werden keine lebensgefährlichen Komplikationen wahrgenommen und auch keine entsprechenden Massnahmen ergriffen. Nur mit «Lieb si» kommt nach Operationen kein Kreislauf in Gang, machen ängstliche Patientinnen und Patienten keinen Versuch zur Erstmobilisation mit. Mit «Lieb si» finden depressive Menschen nicht in eine Struktur zurück. Mit «Lieb si» kann kein Mensch in der akuten Krise vom Suizid abgehalten werden.

Ich meine damit nicht, dass Pflegende alle ganz böse Hexen sein müssen. Aber manchmal braucht es Konsequenz, damit Patientinnen und Patienten ihren Weg finden können. Manchmal braucht es ein bestimmtes Auftreten, dass in Behandlungen Bewegung kommt. Und manchmal braucht es das klare «Nein», damit die Pflegende Raum für ihre Aufgaben bekommt. Und alle diese Eigenschaften lassen sich nicht mit «ä Liebi si» vereinbaren.

Pflegende brauchen nicht vor allem ein Herz. Sie brauchen Kopf, Hand und Herz. Oder anders gesagt:

Pflegende müssen wissen was sie tun.

Pflegende müssen ihr Handwerk beherrschen.

Und Pflegende müssen lieben, was sie tun.



Eure Madame Malevizia.

Donnerstag, 5. Juli 2018

Werte Damen und Herren Politiker,





Ein Maler benötigt um eine Wand zu streichen Farbe und Pinsel.

Ein Maurer benötigt Steine und Mörtel um eine Wand zu machen.

Ein Bäcker benötigt Mehl, Hefe, Wasser und einige andere Dinge um einen Teig zu machen.

Und Pflegende benötigen Verbandsmaterial, um Wunden fachgerecht zu versorgen.

Während Maler, Maurer, Bäcker völlig selbstverständlich ihren Materialverbrauch in die Rechnung miteinbeziehen, wird genau das den Pflegenden verwehrt.

Mit dem Bundesgerichtsentscheid werden Materialkosten nicht mehr von den Krankenkassen übernommen. Für dieses Problem fühlt sich aber offenbar niemand zuständig. Die Verantwortung wird mal wieder hin und her geschoben. Im aktuellen «Krankenpflege» ist ein sehr guter Artikel darüber zu finden. Darin zeigt Pierre - André Wagner auf, wie sehr die Politik gerade bei dieser Problematik schlicht geschlafen hat. Ebenfalls wird deutlich, ohne geeignete Lösung steht das Gesundheitswesen vor dem absoluten Super  -GAU. (Ich hoffe, dass ich diesen Artikel noch irgendwie verlinken kann)

Und während die Spitexbetriebe, Langzeitinstitutionen und freiberufliche Pflegefachpersonen sich darum bemühen eben eine Lösung zu finden, letztendlich wird es wohl darauf hinauslaufen, die Materialkosten den Klienten direkt zu verrechnen, kommt der nächste Hammer. Der Bundesrat will die Beiträge der Kassen um weitere 3.6% senken. Und wieder herrscht politisch absolute Stille. Ausser dem SBK reagiert keine einzige Politikerin, kein einziger Politiker auf diesen krassen Fehlentscheid.

Es ist, wie ich schon mehrmals gesagt habe: Die Politik hat den Gong nicht gehört. Und so frage ich nun ganz direkt: Was müssen wir Pflegenden tun, damit Ihr uns endlich ernst nehmt? Müssen wir streiken, wie es in Deutschland bereits der Fall ist? Ich weiss es kommt kaum in den Medien, aber wer auf sich Socialmedia mit Gesundheitspolitik befasst, bekommt das sehr schnell mit.

Müssen wir Pflegenden auf die Strassen und anfangen Häuser zu demolieren, damit ihr uns zuhört?

Oder soll ich ganz Medienwirksam «Free Pflege» ans Bundeshaus schmieren?

Ich selbst möchte nicht, dass es soweit kommt. Denn wenn gestreikt wird, geht das immer auf Kosten der Patientinnen und Patienten. Und anderen zu schaden, ist gegen meine Pflegehexenehre. Doch muss sich die Politik bewusst sein, die rote Linie ist überschritten. Schon lange. Und nur weil Ihr nicht hinseht, wird sich diese nicht einfach verschieben.

Was braucht Ihr noch, damit Ihr endlich in die Gänge kommt? Die Zahlen sind auf dem Tisch. Der Fachkräftemangel bereits bestehend und in den nächsten Jahren eskalierend ist mit mehreren Studien und Hochrechnungen belegt. Es braucht keine weiteren zu diesem Thema. Es braucht jetzt Massnahmen. Und dafür seid Ihr verantwortlich. Ihr habt Euch dem Dienst für dieses Land verschrieben. Dazu gehört e auch, für eine ausreichende Versorgung der Alten, Kranken und Verletzten zu sorgen.

Wir Pflegenden wollen, sollen und können bei diesem Thema mitreden. Ebenso stark, wie es die Krankenkassen seit je her tun. Denn auf unserm Buckel sind unzählige Sparübungen durchgeführt worden, gerade wieder im letzten Jahr.

Ich weiss, es gibt Politikerinnen und Politiker, die glauben, wir würden halt ä «chli chrankeschwösterle». Und was wir tun das könne jeder. Wer so denkt, ist schlicht fehlinformiert und sollte dringend eine Pflegende in ihrer Arbeit begleiten. Sie dürfen sich ruhig bei mir melden. Ich bin sicher, es lässt sich was machen.

Es gibt auch die andere Gruppe von Politikerinnen und Politikern, die glauben, die Pflegenden weiterhin mit ihren Phrasen abspeisen zu können. Als die Pflegeinitiative lanciert wurde, waren sie es, die erklärten: «Wir verstehen die Anliegen der Pflegenden. Aber die Initiative ist unnötig, wir schauen ja jetzt.» In den letzten Wochen habe ich mich gefragt, wen sie mit diesen Aussagen eigentlich mehr verarscht haben. Sich selbst oder die Pflegenden?

Immer wieder höre ich auch, die Pflegeinitiative ist überladen. Zu viele gewerkschaftliche Forderungen seien darin. Darüber könnte man tatsächlich diskutieren. Hätte das Parlament sich wirklich ernsthaft mit der Initiative Joder befasst und nicht gewisse Kreise dafür gesorgt, dass gar nicht erst über die Initiative diskutiert wurde. Das war ein Schlag ins Gesicht aller Pflegenden, der heute noch nachhallt. Eines hat vor allem der SBK damals kapiert: Wir werden nichts bekommen, wenn wir jetzt nicht fordern. Also liebe Politikerinnen und Politiker, fasst Euch an der eigenen Nase und eines kann ich Euch versprechen: Wenn ihr in der Debatte keinen gescheiten Gegenvorschlag bringt, wird die Pflegeinitiative vom Volk angenommen. Denn im Gegensatz zu Euch hat dieses den Gong schon lange gehört.

Ich möchte es hier noch einmal deutlich machen: Liebe Politikerinnen und Politiker übernehmen Sie die Verantwortung für unser Gesundheitswesen und sorgen Sie endlich dafür, dass die Pflegenden ihre Arbeit tun können.

 Madame Malevizia.