Freitag, 23. Dezember 2016

Weihnachten


(Krippengestaltung: Marlise Fessler/ Foto Peter Fessler)

Krippenspiele, Weihnachtskonzerte, Weihnachtsessen, da geht man hin. Alle Geschenke eingekauft und verpackt? Das gehört sich so. Noch schnell mit Freunden auf dem Weihnachtsmarkt einen Glühwein herunterkippen. Das muss sein. Sich mit Unmengen von Nahrungsmitteln zudecken. An Weihnachten darf es an nichts fehlen.
An Weihnachten sitzt man dann an der reichgedeckten Tafel. Es sieht aus, wie in einem der unzähligen Werbefilmen, die uns genau gesagt haben, was es braucht, dass Weihnachten perfekt wird. Aber es ist nicht perfekt, etwas fehlt. Etwas haben wir vergessen.
Vergessen wir all jene Menschen, die in Not sind, auf der Flucht, um ihr Leben fürchten, frieren, Hunger und Durst haben? Die Einsamen, jene die im Spital um ihr Leben kämpfen, deren Angehörigen, die Angst haben und hilflos dem Leiden zusehen müssen. Nein, die haben wir keinesfalls vergessen, schliesslich haben wir gespendet. Aber haben diese Menschen so wirklich auch Weihnachten?
Einige fragen sich jetzt bestimmt, was will die, will sie Weihnachten absagen? Wer mich kennt, weiss, dass ich Weihnachten liebe. Die Farben, die Gerüche, die Geräusche. Und ich denke, dass Weihnachten immer das ist, was wir daraus machen. Ich kann mich von all den Normen, was an Weihnachten alles sein muss, vereinnahmen lassen, oder auch bewusst einen Schritt zurück machen.
Oft habe ich das Gefühl, dass in diesem ganzen Konsumwahn und dem ganzen Pflichtprogramm in Vergessenheit geraten ist, was Weihnachten eigentlich ist. Das Fest der Familie, das Fest der Liebe?
Am Anfang stand ein Kind, in einem Stall geboren. Ja, meine Lieben, ich komme tatsächlich mit der Religion, Und nein, ich will niemanden bekehren. Aber an Weihnachten ist ein Kind geboren, von dem man glaubte, dass es Frieden in die Weilt bringen würde. Mit ihm ist an Weihnachten ein Licht aufgegangen, das Hoffnung brachte. Und nur mit dieser Hoffnung macht Weihnachten Sinn. Nur mit dieser Hoffnung kann für alle Weihnachten werden.
Ich wünsche Euch, dass auch in Euren Herzen an Weihnachten das Licht der Hoffnung sich entzündet.

Eure Madame Malevizia.

Freitag, 9. Dezember 2016

Ich träume...


Ich träume von Pflegenden, die selbstbewusst für sich, und für die ihnen anvertrauten Menschen einstehen.
Pflegende die für sich einstehen, kennen ihre Rechte und Pflichten und handeln danach. Zu lange haben Pflegende zugelassen, dass auf ihrem Rücken gespart wird. Zu lange haben Pflegende Arbeiten übernommen, die nicht in ihren Bereich gehören, und in keiner Berechnung des Stellenetats vorkommen. Zu lange haben sie sich einreden lassen, dass sie es sind, die das Problem des Personalmangels mit Zusatzschichten, täglichen Überstunden und nicht Einhalten von Ruhezeiten lösen müssen. Pflegende haben Macht. Sie sind rar und überall gefragt. Es ist nicht notwendig in einer Institution zu arbeiten, die Pflegenden nicht den Respekt entgegenbringt den sie verdient.
Pflegende, die für ihre Patienten, Bewohner, Klienten einstehen, lassen sich nicht vorgeben, wieviel Zeit sie für die Pflege benötigen. Denn kein Patient/Bewohner/Patient ist gleich und keiner entspricht dem Standard. Diese Pflegenden lassen auch nicht zu, dass Material, wie z.B Inkontinenzeinlagen limitiert werden. Und dabei ist es völlig gleichgültig, wie dies Zustande kommt. Pflegende, die für die ihnen anvertrauten Menschen einstehen, bleiben hartnäckig wenn es um die Gesundheit dieser geht. Sie lassen sich nicht von gestressten Ärzten abspeisen oder abwimmeln. Denn auch dieser Stress ist nicht in der Verantwortung der Pflegenden und somit auch nicht ihre Baustelle.  Sie wissen, wann sie die Verantwortung für die Unversehrtheit der ihnen Anvertrauten nicht mehr tragen können und kommunizieren das ganz klar.

Ich träume von Arbeitgebern, die den Wert ihrer Pflegenden kennen und sich dafür einsetzen, diese bei sich zu halten.
Arbeitgebern muss bewusst sein, dass ihr höchstes Gut die Pflegenden sind. Pflegende sind selten geworden und müssten deshalb eigentlich unter Naturschutz gestellt werden. Wollen Arbeitgeber ihre Pflegenden bei sich behalten müssen sie damit aufhören, Pflegenden Aufgaben aufzudrücken, die nicht in ihren Bereich gehören. Sie müssen anfangen, sich dafür zu interessieren, was Pflegende brauchen, indem sie jeden einzelnen danach fragen.

Ich träume von Politikern, die sich bewusst sind, dass es im Gesundheitswesen um mehr geht, als um Geld.
Wenn es um das Gesundheitswesen geht, kann nicht nur mit Zahlen argumentiert werden. Anders als ein anderes Unternehmen können Gesundheitseinrichtungen, vor allem Spitäler „Aufträge“ nicht einfach ablehnen. Wenn sie das tun, sterben Menschen. Die Politik darf sich nicht länger davor drücken, sich auch ethischen Fragen zu stellen. Es geht nicht nur um Leben und Tod, sondern um wie leben und wie sterben.

Ihr könnt sagen, ich sei eine Träumerin…
Ja, das stimmt, ich träume. Aber ausser mir, haben auch schon andere geträumt. Zum Beispiel Martin Luther King. Als er träumte, war er ein schwarzer Priester, ein kleines Licht. Heute wissen wir, wieviel sein Traum bewegt hat.
Lasst uns gemeinsam träumen und so etwas in Bewegung bringen. Dazu müsst ihr nicht alle den Hexenhut aufsetzen und eine Homepage eröffnen; Obwohl ich mich über Gesellschaft durchaus freuen würde. Es gibt auch kleinere Dinge, die Pflegende tun können, um diese Träume wahr werden zu lassen:
-          die Initiative „Für eine starke Pflege“ unterschreiben
-          Unterschriften für die Initiative sammeln
-          Meine Seite auf Facebook liken
-          Meine Beiträge teilen
-          die eigenen Rechte wahrnehmen
-          Arbeitgeber verlassen, die Pflegenden nicht jene Wertschätzung geben, die sie verdient haben
-          Angehörige/ Freunde über die Situation in der Pflege informieren
-          Von der Arbeit erzählen
-          Leserbriefe zum Thema schreiben
-          Verantwortungen, die nicht zur Pflege gehören auch nicht mehr übernehmen
-          die eigene Verantwortung wahrnehmen

Ich möchte schliessen, mit den Worten der amerikanischen Ethnologin  Margaret Mead (1901 – 1978):
„Man sollte nie dem Glauben verfallen, dass eine kleine Gruppe ideenreicher, engagierter Leute könnte die Welt nicht ändern. Tatsächlich wurde sie nie von etwas anderem geändert.“


Eure Madame Malevizia

Dienstag, 29. November 2016

Die Höhen und Tiefen eines kinderlosen Lebensweges (Ein kinderloser Lebensweg Teil 2)



Im Oktober 2014 habe ich meinen Blog „Ein kinderloser Lebensweg“ veröffentlicht und ein Tabu gebrochen. Meinen Weg bin ich seit dem weiter gegangen. Und heute breche ich ein weiteres Tabu. Ich spreche über die Folgen von Mobbing in der Schulzeit. Als ich zur Schule ging, gab es dieses Wort noch nicht. Passiert ist es trotzdem. In diesem Blog geht es nicht darum, anzuklagen. Es ist der Bericht eines wichtigen Teiles meines Lebenswegs.

Dieser Weg, wird kein leichter sein
Mein Plan war es, wenn ich schon keine Kinder bekommen könnte, in meinem Beruf Vollgas zu geben, sprich Karriere zu machen. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Ich wagte also im März 2015 den Schritt von der Psychosomatik in die Somatik, genauer gesagt in die Viszeralchirurgie. Der Einstieg war hart. Das fremde Gebiet, die anderen Strukturen, die Hektik, die andere Dynamik des Teams. Diese andere Dynamik war es, die mich plötzlich blockierte. Ich stand immer mehr neben mir, konnte kaum denken, machte Fehler und brachte Dinge nicht zu Ende. Keiner meiner neuen Teammitglieder behandelte mich schlecht, aber manchmal glaubte ich die Ungeduld zu spüren. Auch wenn ich frei hatte, ging es mir nicht gut. Eine Leere lähmte mich, ich fühlte mich ständig einsam und ein Gefühl der Unzulänglichkeit machte sich breit. Erst als mein Unterbewusstsein Bilder und Geräusche aus meiner Schulzeit hochspülte, wurde mir klar, was mit mir geschah: In gewissen Situationen fühlte und reagierte ich wie mein ca 14jähriges Ich. Dieses Ich war gequält, resigniert und traumatisiert. Ich hatte geglaubt, mein Trauma mit der Bearbeitung vor 10 Jahren überwunden zu haben. So war ich einigermassen überrascht, dass mich diese Szenen jetzt noch einmal mit aller Heftigkeit überrollten und mich daran hinderten, den von mir gewählten Weg zu gehen.

Dieser Weg wird steinig und schwer
Schnell war mir klar, dass ich dieses Thema nicht alleine bewältigen konnte. Mein Weg führte mich also wieder zu Esther Quarroz. Sie schlug mir Lösungsorientiertes Malen vor. Was auf den ersten Blick merkwürdig klingt, war für mich die richtige Therapie. Ich musste nochmals da durch, um meine damaligen Gefühle einordnen zu können, um selbst zu begreifen, wie schlimm meine Erlebnisse waren und sie dann dort zu lassen. Frau Quarroz war dabei meine Zeugin und meine Anwältin. An eine Aussage von ihr kann ich mich noch ganz genau erinnern: „Nicht Sie als Opfer und Kind, noch die Täter, die ebenfalls Kinder waren, tragen für das Geschehene die Verantwortung, sondern die Erwachsenen, namentlich die Lehrer. Es war und ist an ihnen, Kindern beizubringen, dass man so etwas nicht macht.“ Für mich war es eine grosse Erleichterung das von ihr zu hören. Während des Malens konnte ich herausfinden, was ich als letztes sah, bevor ich dissozierte: den Rand meiner Brille. Eine wichtige Erkenntnis, die es mir möglich machte, in der Realität zu bleiben. Während des Malens überkam mich immer wieder Übelkeit, die ich von meiner Schulzeit her kannte. Und ich fror, bis in die Knochen, egal wie warm es um mich herum war. Beides konnte ich nun einordnen. Ich akzeptierte sie als Symptome meines Heilungsprozesses. Ganz Pflegefachfrau konzentrierte ich mich auf das Symptommanagment.

Nicht mit vielen, wirst du dir einig sein.
Meine Gesellschaft war in dieser Zeit nicht gerade aufbauend. Immer wieder rutschte ich in das 14jährige Ich, weinte und jammerte, fühlte mich unverstanden und einsam. Eine Freundschaft hat dies nicht ausgehalten. Diese Freundin wählte den Beziehungsabbruch, ich konnte nichts dagegen tun.
Ich hatte aber auch ganz grosse Unterstützung. Anna war es, die mir dabei half im Alltag zu erkennen, wenn sich meine Gefühle vermischten. Sie erinnerte mich dann liebevoll, aber unnachgiebig an meine Ressourcen und Strategien. Dafür auch hier nochmal Danke!

Denn dieses Leben bietet so viel mehr
Und dann kam es, das rettende Bild. In der Sitzung zuvor hatte ich sehr mit einem Bild gekämpft. Dieses Bild gehörte zur grössten Angst, die ich jemals in meinem Leben ausgestanden hatte. In dieser Sitzung erwartete ich ähnliche Schwierigkeiten. Aber das unerwartete geschah.
Ich malte das Bild, das zur Situation gehörte, in der mir das Schlimmste hätte passieren können, das einem Mädchen passieren kann. Und ich spürte mit absoluter Sicherheit: „Meine Seele hat damals schon gewusst: Egal was da unten jetzt passiert, ich werde es überleben.“ Ich spürte während des Malens meine Hexenseele. Stärker als alles, was mir im Leben zustossen kann.
Ich hatte danach noch einige Sitzungen, um diesen Teil meines Lebens wirklich abzuschliessen.
Dann entliess mich Esther Quarroz hinaus in mein neues Leben. Genau das ist es nämlich. Erst im nach hinein weiss ich, wie sehr mich meine Erlebnisse in der Schulzeit behindert haben. Erst jetzt ahne ich, was für ein Potenzial ich eigentlich besitze. Ich will es ausschöpfen, experimentiere mit meinen Möglichkeiten.
Eines weiss ich sicher, Karriere ist es nicht. Ich arbeite immer noch auf der Viszeralchirurgie. Ich liebe meinen Beruf und als Pflegefachfrau an der Basis fühle ich mich sehr wohl. Im Team habe ich meinen Platz gefunden. Mittlerweile ist dieses Team eines der besten, in denen ich je gearbeitet habe.


Und jeden Tag feiere ich sie, meine Hexenseele. 

Dienstag, 25. Oktober 2016

Sexismus in der Pflege - eine pflegeplanerische Auseinandersetzung

Meine Lieben,
Unter # AufschreiSchweiz haben sich bereits einige bereits einige zum Thema Sexismus geäussert. Meist waren es Beispiele, wie und wo sie Sexismus erlebt haben. Diese Beispiele haben verärgert, haben schockiert, haben erstaunt und eine Diskussion ausgelöst. Eine Diskussion, die wichtig ist, die aus meiner Sicht jedoch weiter gehen muss. Nur Beispiele öffentlich zu machen ändert nur wenig bis nichts. Während ich diese las kam bei mir vor allem ein Gefühl auf: Hilflosigkeit. Nicht meine, sondern ich glaubte die Hilflosigkeit der Betroffenen zu spüren. Auch Pedro Lenz hat dies in seinem Artikel über das Thema (war in einer Zeitung, aber der Name fällt mir nicht ein) angetönt. Ihm ging es um das Servicepersonal, dass sich von Gästen bezüglich Sexismus so einiges gefallen lassen muss. Auch in meiner Welt kommt es vor, dass Pflegende diesem Phänomen ausgesetzt sind Ich könnte mich jetzt auch in diversen Beispielen (von mir als junge Pflegehexe erlebte und gehörten) auslassen. Aber als Pflegehexe bin ich es gewohnt die Dinge nicht nur beim Namen zu nennen, sondern sie auch anzugehen. Und zwar mit System. Mit einer Pflegeplanung.
In den Fokus stellen möchte ich dabei nicht jene, die Sexistische Handlungen (damit meine ich sowohl Worte sowie Taten) begehen, diese hatten in den letzten Tagen schon genug Plattform. Sondern jene, die diese Attacken (und es ist nichts anderes als das) hilflos ausgesetzt sind. Noch konkreter geht es bei dieser Pflegeplanung ausschliesslich um meist junge Pflegende und Lernende. Ich beobachte, dass sie es sind, die am meisten davon betroffen sind. Jetzt wo wir die Ausgangslage geklärt haben stellen wir die Pflegediagnose, natürlich nach NANDA (North American Nursing Diagnosis association) und im PES Format

Pflegediagnose
P (Pflegediagnose: Unwirksames Coping
Ich weiss, sämtliche nicht in der Pflegewelt lebenden Personen sagt jetzt `Hä?‘Ich werde euch jetzt nicht die offizielle Definition runterleihern. Denn auch darauf bekäme ich von Euch nur ein „Hä?“ Darum eine kurze situationsbezogene Erklärung meinerseits: In unserem Fall heisst unwirksames Coping, dass die betroffene Person keine oder ungenügende Strategien hat, um Sexismus etwas entgegen zu setzen.

E. (Ethiologie/ Ursache): Wissensdefizit der Betroffenen Person
Soweit, so klar oder?
S (Symptome): Grenzüberschreitungen werden schweigend und tatenlos hingenommen.
Auch das bedarf wohl keiner weiteren Erklärung
Damit sind wir aber noch nicht viel weiter, als alle anderen, die sich bisher mit dem Thema beschäftigten auch. Darum gehen wir sofort zum nächsten Schritt, der Zielsetzung.
Sich das Ziel zu setzten, niemand ist mehr Sexismus ausgesetzt ist zum einen zu ungenau, da auch nicht wirklich messbar, zum anderen völlig unrealistisch. Ich setze mir daher das Ziel:
Ziel: Pflegende verfügen über Strategien Sexismus zu begegnen und nutzen diese.

Kommen wir nun zu dem in diesem Thema wichtigsten Teil, den Massnahmen.
-          Achtsam sein, spüren ob ich den Spruch, die Berührung meines Gegenüber annehmen will.
Ich bin der Meinung, dass es der „Spruch – Berührungsempfänger (in der folge der Einfachheit halber nur noch Empfänger genannt) ist, welcher definiert, was Sexismus ist. Dazu ist es enorm wichtig, zu spüren, wo die persönliche Grenze liegt.

-          Grenzen setzen. Unmittelbar und unmissverständlich.
Die Reaktion muss sofort kommen. Nur dann hat auch der Sender eine Chance zu merken, dass er zu weit gegangen ist (und kann dann auch nicht sagen, er erinnere sich nicht mehr daran). Es braucht Mut, dies zu tun. Damit exponiert sich der Empfänger und riskiert als Mimose hingestellt zu werden. Aber mein maleviziarisches Statement ist: Lieber als Mimose gelten, als mir ständig Grenzüberschreitungen gefallen zu lassen. Und irgendwann gilt man nicht mehr als Mimose , sondern als Hexe und dann fängt der Spass erst so richtig an!
Wie kann diese Grenze gesetzt werden? Als sehr wriksam erlebe ich den Satz: „Ich möchte nicht, dass wir so miteinander kommunizieren.“ Und bei zu weit gehenden Flirtversuchen habe ich auch schon gesagt: „Solche Dinge will ich nur von meinem Merlin (Mann/Freund) hören.“

-          Unterstützung anfordern
Betroffene müssen nicht alleine kämpfen und dies auch nicht einfach still hinnehmen. Es hat den Vorgesetzten zu interessieren, wenn sich ein Patient so verhält und er soll auch eingreifen, wenn Pflegende der Situation nicht selbst Herr werden. Auch Arbeitskollegen können eine gute Unterstützung sein.

-          Sich schützen
Für mich ein wichtiger Schutz ist mein Name. Ich bin mit keinem Patienten per Du. Ich bin immer Madame. Dies gibt schon eine gewisse Grenze. Sprüche im Du Stil kommen den Sendern eher über die Lippen. Ich korrigiere ein Du auch, wenn es nicht ein „versehentliches“ ist. Ich bin auch nicht das „Engeli und Schätzeli“ so lieb das gemeint sein kann, es ist nicht die Form von Beziehung, die ich mit meinen Patienten pflegen möchte. Ich darf mich auch aus einer Situation heraus nehmen, und zB. eine Körperpflege unter – oder abbrechen, wenn ein Patient sich übergriffig benimmt. Wichtig ist aber, dies dem Sender gegenüber zu deklarieren: „Ich akzeptiere Ihr Verhalten mir gegenüber nicht, deshalb unterbreche ich die Körperpflege jetzt.“ Und nach einiger Zeit wieder das Gespräch suchen, die Erwartungen klar kommunizieren.

Dies ist meine individuelle Pflegeplanung zu diesem Thema. Gewiss gäbe es noch vieles hinzu zu fügen. Die Aktion #AufschreiSchweiz hat dazu geführt, dass über dieses Thema gesprochen wird, dafür bin ich dankbar. Aber es muss weiter gehen. Um eine genauere Begriffsdefinition werden wir nicht herum kommen. Noch wichtiger erscheint mir jedoch Frauen und Männer darin zu unterstützen, Strategien zu entwickeln sich vor übergriffigem Verhalten egal welcher Couleur zu schützen oder es sofort zu unterbinden. Je häufiger die Grenze unmittelbar und klar gesetzt wird, desto weniger wird sie angezweifelt.

Und so wünsche ich Euch allen nun Gesundheit, sie ist das höchste Gut, das keiner kaufen kann.

In Liebe Eure

Madame Malevizia

Freitag, 21. Oktober 2016

Manifest der Madame Malevizia


Im Juni 2016 habe ich beschlossen, dass ich mich zeigen und mich einsetzen will, für eine Sache, die mir am Herzen liegt.
Ich bin Pflegehexe, oder wie mein Pseudonym sagt: Pflegefachfrau. Das ist meine Berufung. Genauso wie ein Künstler nicht ohne seine Kunst und ein Sportler nicht ohne seinen Sport sein kann, kann ich nicht ohne das sein, was man Pflege nennt.
Pflege umfasst nach ICN: (International Council of Nurses) die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung, allein oder in Kooperation mit anderen Berufsangehörigen, von Menschen aller Altersgruppen, von Familien oder Lebensgemeinschaften sowie Gruppen und sozialen Gemeinschaften, ob krank oder gesund, in allen Lebenssituationen (Settings). Pflege umfasst die Förderung der Gesundheit, die Verhütung von Krankheiten und die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen. Weitere Schlüsselaufgaben der Pflege sind die Wahrnehmung der Interessen und Bedürfnisse (Advocacy), die Förderung einer sicheren Umgebung, die Forschung, die Mitwirkung in der Gestaltung der Gesundheitspolitik sowie das Management des Gesundheitswesens und in der Bildung."
(Offizielle, von Berufsverbänden Deutschlands, Österreichs und der Schweiz konzertierte Übersetzung) Quelle: SBK Homepage.
Das sind trockene Worte, und sie beschreiben auch nur annähernd, was Pflege für mich ist: Es ist meine Bestimmung, das zu tun.
Zunehmend werde ich jedoch daran gehindert, das was ich liebe, so zu tun, wie ich es gelernt habe und wie ich es von Herzen tun möchte
Es fühlt sich an, wie für den Kunstmaler, der zwar malen kann, aber nicht mehr alle Farben zur Verfügung stehen. Oder den Musiker, der Musik machen kann, aber sein Instrument er nicht mehr hat. Oder der Sportler, dem sein Sportgerät entwendet wird.
Folgendes ist geschehen oder geschieht:
Es herrscht die fixe Idee, dass Spitäler und andere Gesundheitseinrichtungen gewinnbringend sein müssen. Die Folgen davon sind Sparmassnahmen, die ethisch und moralisch kaum mehr vertretbar sind. Die Aufenthaltsdauer der Patienten wird nicht mehr durch ihre Erkrankung definiert, sondern ist durch DRG(Diagnosis Related Group) und ihre Krankenversicherung vorgegeben. Da die Personalkosten immer am meisten ins Gewicht fallen, wird auch hier gespart und gekürzt was das Zeug hält. Beides erschwert die Arbeit der Pflegenden um ein vielfaches. Der Spardruck wird direkt an sie weitergegeben.
Frustriert und desillusioniert werfen viele Pflegende ihren Job hin, weil sie ihn nicht so ausüben können, wie sie es gelernt haben. Andere geben auf, weil sie keine Kraft mehr haben und ihre eigene Gesundheit auf dem Spiel steht.
In der Öffentlichkeit wird unser Beruf auf „Füdle putze“ und dem Arzt zudienen  reduziert oder auf „halbheilige“ barmherzige Schwestern hochstilisiert. Beide Bilder sind schlicht falsch, sorgen jedoch dafür, dass Pflegende gar nicht auf die Idee kommen, dass sie in gesundheitspolitischen Fragen Stellung beziehen und ihre Rechte einfordern könnten. Das Studium Pflege wird im Vergleich zum Medizinstudium noch immer als minderwertig angesehen.
Daraus wächst stetig ein Fachkräftemangel, der auch der Öffentlichkeit mittlerweile auffällt. Die bisher diskutierten Lösungsvorschläge, Personal aus dem Ausland, Flüchtlinge oder das Militär einsetzen, sind allesamt unbrauchbar.
Ich werde in der Ausübung meines Berufes behindert. Ändert sich nichts, wird Pflege, wie sie vom ICN definiert wird, bald nicht mehr möglich sein.
Es liegt nicht an den Spitälern und Gesundheitseinrichtungen selbst. Es sind die Ignoranz und die fehlende Unterstützung der Pflegenden, die dieser Entwicklung Vorschub leisten. Für diesen Zustand mache ich unsere Politikerinnen und Politiker verantwortlich!
In sämtlichen Parteien ist das Thema Gesundheitspolitik inexistent. In den letzten Jahren gab es lediglich eine (!) parlamentarische Initiative, die sich mit dem Fachkräftemangel in der Pflege befasste. Offenbar hat kein Politiker und auch keine Partei den Mut sich bezüglich Gesundheitspolitik zu exponieren.
Werden gesundheitspolitische Themen besprochen gibt es genau zwei Gruppen, die das Sagen haben: die Krankenkassen und die Ärzteschaft. Dies hat sich auch in der Initiative zur gesetzlichen Anerkennung der Verantwortung der Pflege eindrücklich gezeigt.

Und so habe ich, Madame Malevizia Magissa Mageia Coldovara Karolevine Witch, beschlossen:
Ich werde das nicht mehr länger hinnehmen!
*   Ich will, dass die Öffentlichkeit weiss, was ich als Pflegende erlebe und wie ich zu den meinen Beruf betreffenden Themen stehe!

*   Ich will, dass Pflegende ihren Beruf so ausüben können, wie sie es gelernt haben und wie sie es von Herzen tun wollen!

*   Ich will, dass Pflegende die Anerkennung und die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um in ihrem Beruf gesund bleiben zu können!

*   Ich will, dass Pflegende den Mut haben, für ihren Berufsstand einzustehen!

*   Ich will, dass Pflegenden in der Öffentlichkeit und in den Einrichtungen in denen sie arbeiten, der Respekt entgegen gebracht wird, der ihnen zusteht!

*   Ich will, dass Berufsanfänger/Innen ihren Platz in der Berufswelt finden und ihre Rolle als Pflegende leben können.
Ich bin mir bewusst, dass dies ambitionierte Ziele sind. Doch die allerlängste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.
Und so werde ich alles in meiner Macht stehende tun um diesen ersten Schritt zu bewirken.

·        Ich werde erzählen, was ich als Pflegehexe erlebe und erlebt habe.

·        Ich werde mich zu politischen Themen äussern, in meinem Blog, auf meiner Homepage und wo auch immer ich die Möglichkeit dazu habe.

·        Ich werde mit Briefen Politiker und andere öffentliche Personen auffordern, sich für die von mir genannten Forderungen stark zu machen und an deren Erreichung aktiv mitzuwirken.

Als Pflegehexe will ich unabhängig sein von politischen Parteien oder Berufsverbänden, nehme mir jedoch die Freiheit, jene zu unterstützen, die meine Absichten und Forderungen teilen.
Im Moment gehe ich die ersten Schritte dieses Weges noch alleine. Doch jede/r Einzelne/ jede Einzelne ist mir willkommen, um gemeinsam für die in diesem Manifest genannten Ziele zu arbeiten.
Es liegt in meiner Natur, die Dinge beim Namen zu nennen. Der Respekt gegenüber  anderen Menschen und deren Würde werde ich jedoch niemals ausser Acht lassen.
Der sachlichen Konfrontation  will ich mich stets stellen, persönliche Angriffe mir als Person gegenüber werde ich jedoch nicht akzeptieren.
Ich habe mir eine grosse Aufgabe gestellt, um sie erfüllen zu können, ist es wichtig, dass ich meine Kräfte aufteile und auf mich und meine Gesundheit achte.

Als Pflegende bezeichne ich alle Pflegefachpersonen, Fachpersonen Gesundheit und Assistentinnen Gesundheit, sie alle leisten einen wichtigen Beitrag in unserer Berufswelt.
Bern, im August 2016


Mittwoch, 28. September 2016

Nicht auf der Hauptbühne – Kommentar zum Jenke Experiment vom 26.09.16


Eigentlich habe ich die Sendung „ Das Jenke Experiment“ auf einem deutschen Privatsender letzten Montag aus Interesse verfolgt. Es war nicht meine Absicht darüber zu schreiben. Einen Tag später stiess ich aber auf einen Kommentar von Maja Zivadinovic, Fernsehexpertin auf Bluewin. Diesem Kommentar möchte ich nun jenen einer Pflegehexe gegenüber stellen, die zwei Jahre Menschen mit Essstörungen begleitet hat.

Jenkes Experiment (er verzichtete während 28 Tagen auf feste Nahrung) zeigt eines eindrücklich: Der Wille, so wenig wie möglich zu essen verselbständigt sich. Und plötzlich ist es nicht mehr der Wille eines Menschen auf Nahrung möglichst zu verzichten, sondern ein Zwang. Es ist unglaublich schwierig, diesen Zwang in Denken und Handeln wieder los zu werden. Darüber hat das Jenke Experiment jedoch nur wenig berichtet. Schade, denn gerade hier wäre es spannend geworden. Wie ich später mitbekommen habe, ist es auch für Jenke nach nur 28 Tagen schwierig geworden, wieder zu einem normalen Essverhalten zurück zu finden. Es wäre also möglich gewesen in einer weiteren Folge den Weg ins Leben nach zu empfinden. Denn genau darum geht es in der Therapie.

Seine erste feste Mahlzeit nach der Karrenz ist Currywurst mit Pommes, erbricht Jenke aktiv. Maja Zividaninovic sieht dies als Effekthascherei. Jenke war 28 Tage fast ohne Nahrung. Sein Magen – Darmtrakt war deshalb gar nicht in der Lage, ein so schweres Essen zu verdauen. Klar, dass es ihm Übel und Unwohl wird und er  versucht diese Nahrung wieder los zu werden.

Aus meiner Sicht hat Jenkes Experiment einen entscheidenden Fehler. Das Motiv nicht mehr zu essen. Im Gegensatz zu Jenke beschliessen Menschen mit Essstörungen nicht, auf Nahrung zu verzichten. Das geschieht schleichend. Mehrere Betroffene schilderten mir, dass sie sich ungeliebt fühlten, glaubten nicht hübsch genug zu sein, um beachtet zu werden. Dadurch kamen sie zu der Überzeugung, dass sie nur abnehmen müssten, dann würden sie geliebt. Als dieses Gefühl geliebt zu werden nicht eintraf wuchs in ihnen weiter diese Überzeugung, dass sie eben noch zu dick wären. Und so drehte sich der Teufelskreis. Ich stelle es mir schwierig vor, diese Gefühlswelt, die zur  Essstörung führen, nachzustellen.
Und doch hat mir in Jenkes Experiment die Tiefe gefehlt. Es ist Jenke nicht gelungen, die Problematik hinter der Essstörung darzustellen. Mir ist es in den zwei Jahren, in der ich Menschen mit Essstörungen begleiten durfte, nur ansatzweise gelungen, das gesamte Ausmass dieser Welt in der sie leben, zu verstehen.
„Eine Essstörung ist immer eine Nebenbühne.“ Diesen Satz hörte ich einmal von einer unserer Therapeutinnen. Er wurde mein Leitsatz in der Begleitung. Ich hörte auf in den Bezugspersonengesprächen über Essen oder nicht Essen zu diskutieren. Obwohl die Betroffenen dies sehr gerne getan hätten. Ihnen war es auf der Nebenbühne durchaus wohl. Aber wenn ich mit ihnen dort blieb, unterstützte ich die Essstörung.
Ich beschäftigte mich mit Fachliteratur und entdeckte, dass es darum ging, diese Menschen mit dem Leben zu konfrontieren. Was willst Du in Deinem Leben erreichen? Was machst Du mit Deiner Zeit? Häufig bekam ich auf diese Fragen keine Antwort. Keine Idee, mit was sie sich beschäftigen könnten, wenn nicht mit der Frage, was essen oder besser gesagt nicht essen?
Und es ging um Gefühle. Sich selbst wieder zu spüren, und damit umzugehen. Oft war ich geschockt, wie schwer es diesen Menschen fiel, zu fühlen, diese Gefühle auszuhalten, auf sie zu reagieren.
Eine Patientin hat einmal bei einem Austrttsgespäch gesagt, am meisten habe ihr geholfen, als sie gefragt worden sei was einmal auf ihrem Grabstein stehen soll. Ich hatte diese Frage gestellt, sie war in einem Selbsthilfe Buch. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf Ihrem Grabstein einmal stehen soll: Sie wog nur 30 Kilo.“ hatte ich ihr um die Ohren gehauen. Die Patientin fand es hilfreich, weil sie merkte, dass es um etwas anderes ging, als ihr Gewicht.
Jetzt bin ich mit meinem Kommentar etwas abgeschweift. Aber ich würde mir wirklich wünschen, dass auch die Medien sich von der Nebenbühne Essstörung etwas mehr auf die Hauptbühne, was braucht dieser Mensch, um ohne Essstörung leben zu können, begeben würden.


Eure Madame Malevizia

Sonntag, 25. September 2016

Burnout und Depression .- Gedanken zu Göläs Aussagen

Meine Lieben,
Göläs Interview im Blick hat im Netz einige Wellen geschlagen. Es liegt mir fern, mich über seine politische Gesinnung zu äussern, dazu wurde schon genug gesagt. Zu folgenden Aussagen dieses Interviews möchte ich jedoch Stellung beziehen:

In Ihrem Song «La bambala lah» motzen Sie gegen «Penner mit Bier vor dem Denner». Was haben diese Leute Ihnen getan?
Gegen Penner habe ich nichts, aber gegen eine Politik, die zulässt, dass die Leute als «Penner vor dem Denner» enden. Unser System fördert es geradezu, dass junge Menschen das Geld vom Sozialamt erhalten, selbst wenn sie gar nicht krank sind. Und am Schluss hängen viele nur noch herum, trinken Bier und bekiffen sich. Oder sie hocken den ganzen Tag zu Hause und schauen sich dumme Serien an. Das regt mich auf!
Die Schweiz ist also zu lasch mit Sozial­bezügern?
Und wie! Heute kann beispielsweise jeder behaupten, er hätte ein Burnout – und prompt bekommt er Geld und muss nicht mehr arbeiten. Jedes kleine Drama wird dafür missbraucht, vom Staat Geld zu fordern. Immer weniger denken dabei an ihre Pflichten.
Kennen Sie solche Leute?
Oh ja, darum weiss ich, wovon ich spreche. Diese Leute sind kerngesund, aber zu faul, um zu arbeiten. Auf dem Sozialamt wird ihnen nicht einmal ein schlechtes Gewissen gemacht. Im Gegenteil: Man unterstützt sie noch bei ihrem Vorhaben, ohne zu arbeiten durchs Leben zu kommen und wirft
ihnen das Geld nach.
(Quelle: Blick online)
Gölä spricht etwas aus, das ich so oder in anderer Form immer wieder höre. Als Pflegehexe mit Erfahrungen in der Psychiatrie schmerzen mich diese Aussagen. Zu Sozialhilfe und IV Betrug kann ich nichts sagen, über die Abläufe dieser Institutionen weiss ich herzlich wenig. Und über soziale Verantwortung will ich auch nicht diskutieren, da habe ich eine andere Haltung als Gölä.
Mir geht es darum, dass Gölä sich über Menschen äussert, die in höchster Not sind. Weder eine Suchtkrankheit noch ein Burnout, die im weiteren Sinne eine Depression ist (so werde ich es in diesem Text weiter bezeichnen) sind eine Bagatelle im Leben. Beides kann tödlich enden. Ja, auch an einer psychischen Erkrankung kann man sterben. Man nennt es Suizid. So gesehen, sind diese Menschen in Lebensgefahr und haben es ebenso wie jemand mit Krebs oder einer Herzerkrankung verdient, unterstützt zu werden.
Eine Depression lässt sich nicht mit dem sogenannten „Tritt in den Hintern“ lösen. Auch wenn man als Aussenstehender manchmal diesen Eindruck hat. Mir ist es in der Arbeit mit diesen Menschen auch manchmal passiert, dass ich mit der Brechstange eine Bewegung erwirken wollte. Ohne Erfolg. Es ist nicht so, dass diese Menschen nicht wollen. Sie können nicht wollen. Der Zustand in welchem sie sind, ist schrecklich und es braucht viel Energie von aussen, sie zum einen am Leben zu erhalten und sie wieder ins Leben zu begleiten. Wer sie begleitet muss die richtige Balance finden, zwischen Ruhe und Förderung. Eine Gratwanderung.
Sehr viele schaffen es, die Depression zu überwinden. Einige nicht. Ist es wirklich an uns, die das Glück haben diese Krankheit nicht zu kennen, über sie zu urteilen? Sie mit dem Vorwurf des „Schmarotzers“ noch weiter ins Elend zu treiben?
Göla selbst sagt, dass er glaubt selbst auch schon etwas wie ein Burnout gehabt zu haben und sich selbst daraus befreit zu haben. Er hat es offenbar geschafft, trotz Krise seine Struktur aufrecht zu erhalten. Ein sehr wichtiger Punkt. Ich gratuliere ihm zu dieser Leistung und freue mich für ihn. Aber gerade weil er eine Ahnung hat, was eine wirkliche Depression sein könnte, erwarte ich von ihm mehr Empathie für Menschen, die vielleicht nicht so stark sind wie er.
Ich wünsche ihm und auch Euch Gesundheit, sie ist das höchste Gut, das keiner kaufen kann.
In Liebe

Madame Malevizia.

Freitag, 2. September 2016

Der nächste Schritt auf der Reise

Heute war mein Fotoshooting als Madame Malevizia. Ein weiterer Schritt auf meiner Reise. Zuhause machte ich mich bereit. Mit Kleidung, Schminke und Perücke wurde aus mir die Pflegehexe Madame Malevizia. Ich war die Erste, die sie sah, als ich in den Spiegel blickte. Ein wirklich merkwürdiges Gefühl. Noch vor dem Spiegel wurde mir bewusst, heute ist Madame Malevizia geboren. Mit den Bildern von Madame werde ich mich noch mehr exponieren. Bisher konnte ich mich noch ein wenig hinter den Buchstaben verstecken. Sobald die Bilder jedoch auf der Homepage und auf Facebook sind, zeigt Malevizia ihr Gesicht. Vielleicht war ich deshalb so nervös. Auch hatte ich keine Ahnung, was auf mich zukommen würde. Mein Wissen über professionelle Fotos beschränkte sich auf frühere Familienfotos und Germanys Next Top Models.
Und dann kam Eve Kohler, die Fotografin. Mit ihrer offenen natürlichen Art hat sie dafür gesorgt, dass sich der Nachmittag schnell nicht mehr wie ein „ernstes“ Fotoshooting anfühlte, sondern wie ein Treffen mit einer Freundin. Es wurde ein Austausch von Künstlerin zu Künstlerin, von Frau zu Frau. Einfach nur wunderschön. Ich freue mich schon auf die Bilder.

Danke dafür Eve! 

Donnerstag, 1. September 2016

Pflege braucht keine höhere Schulbildung und andere Mythen

Quelle: Augen auf; Facebook am 31.08.16

Meine Lieben,
Diesen Post habe ich auf Facebook auf der Seite „Augen auf“ gefunden. Lese ich die Aussage von Herrn Beck, habe ich ein wenig den Eindruck, der habe zuerst gesprochen und erst danach gedach!
 Ich bin versucht, diesen Menschen mit allen mir bekannten Nettigkeiten einzudecken, und ja, ich wüsste da so einige. Aber das ist nicht mein Stil und würde nichts ändern. Herr Beck nennt einen Mythos, dem ich immer wieder begegne: Der Pflegenotstand kann mit Flüchtlingen, Arbeitslosen und Einwanderern behoben werden. Dieser Mythos kommt immer dicht gepaart mit zwei weiteren Mythen auf: Pflege braucht keine „Studierten“, In der Pflege braucht es nur ein gutes Herz. Ich möchte die Gelegenheit nutzen und auf diese drei Myhten eingehen. Beginnen wir mit dem Mythos dem auch Herr Beck verfallen ist:
Der Pflegenotstand kann mit Flüchtlingen, Arbeitslosen und Einwanderern behoben werden.
Diese Annahme halte ich schlicht für falsch. Bei den Flüchtlingen und Einwanderern beginnt das Problem schon mal bei der Sprache. Ein Grossteil der Arbeit von Pflegenden ist Kommunikation. Sie sprechen mit Ärzten über die von ihnen beobachteten Symptome, die Anliegen der Patienten und besprichen die verordneten Massnahmen. Auch der Kontakt zu Angehörigen, die meist sehr besorgt sind, häufig Ängste haben, die sich in sehr vielen Fragen, erhöhter Aufmerksamkeit zeigen, geht ausschliesslich über die Sprache. Auch mit Patienten sind Pflegende unablässig verbal in Kontakt. Wie soll das gehen, wenn  Pflegende nicht die selbe Sprachesprechen? Ich komme beispielsweise an meine Grenzen, wenn ein Patient französisch oder englisch spricht. Ich bin dieser Sprachen einigermassen mächtig, aber keine ist nicht meine Muttersprache. Ich merke dann, dass ich die Patienten und ihre Angehörigen weniger gut begleiten kann, als ich es bei deutschsprachigen Menschen kann. Spricht ein Flüchtling oder Einwanderer gut Deutsch und hat in seinem Land eine Ausbildung im Pflegebereich absolviert, herzlich willkommen! Der SBK und auch viele Spitäler sind sehr daran interessiert diese Menschen in der Integration in den Berufsalltag zu unterstützen. Die Anzahl dieser Menschen wird jedoch niemals reichen, um den Pflegenotstand zu beheben. Und Arbeitslose in die Pflege? Es herrscht ein FACHkräftemangel! Mit Ungelernten kann dies nicht behoben werden! Ja, Pflegehelfer/Innen leisten einen wichtigen Beitrag in der Gesundheitsversorgung und ohne sie würde es nicht gehen. Eine Pflegefachperson ersetzen sie jedoch nicht. Ich finde es auch nicht gut, Menschen in die Pflege zu „zwingen“. In der Pflege arbeiten, dazu muss man bereit sein, wenn es einem keine Freude bereitet, wird es schwierig und gefährlich.
„Pflege braucht keine Studierten“
Wer so eine Haltung vertritt, zeigt vor allem wie inkompetent er in dieser Thematik ist. Pflege hat nichts mit instinktivem Wissen zu tun, Pflege wird gelernt. Sie ist nicht irgendein konzeptloses herumwaschen. Pflege hat System, Pflege ist extrem komplex, egal wo sie ausgeführt wird. Ja, auch resp. vor allem im Pflegeheim. In meiner gesamten pflegerischen Laufbahn ist mir noch nie ein Patient oder ein Bewohner begegnet, der nur eine einzige medizinische Diagnose hatte. Die Zusammenhänge zwischen diesen muss man sehen können. Ganz abgesehen davon die Symptome dieser, die sonstige physische, die psychische und die soziale Situation des Patienten spielen in der Pflege eine Rolle, das alles muss berücksichtigt werden. Und wie, um alles in der Welt, soll Pflege in einer Welt, in der sich alles um Zahlen dreht, messbar und beweisbar werden, wenn nicht durch Studien? Studien, die von Pflegenden mit Masterabschluss durchgeführt werden müssen, weil ich als Pflegefachfrau am Patientenbett gar nicht weiss, wie ich eine solche durchführen soll, damit diese auch wirklich aussagekräftig ist.
Ich empfinde es jedoch als grosse Bereicherung, dass es jedem Interessierten möglich ist, in die Pflege einzusteigen. Die Ausbildungen sind von Stufe zu Stufe durchlässig. Der Weg Assistentin Gesundheit – Fachfrau/Frachmann Geschundheit – Pflegefachfrau/Pflegefachfmann HF – Bachelor – Master ist möglich. Das ist eine Stärke dieses Gebietes, es bietet viele Perspektiven. Mit der nötigen Motivation ist alles möglich.
„In der Pflege braucht es nur ein gutes Herz“
Diesen Mythos höre ich oft und ich gebe immer diese Antwort: „Es braucht Kopf, Herz und Hand!“ Es braucht einen Kopf, der vernetzt denken kann, eine schnelle Auffassungsgabe hat und über nötiges Fachwissen verfügt.  Ohne Frage, es braucht auch ein Herz, das für die Menschen schlägt. Und es braucht Hände, die pflegerische Verrichtungen geschickt ausführen können. Das eine ohne das andere ist in der Pflege nichts!
Soviel zu diesen drei Mythen in der Pflege.
 Nun wünsche ich Euch Gesundheit, sie ist das höchste Gut, das sich keiner kaufen kann.
Eure Madame Malevizia.


Montag, 22. August 2016

Leiden im Licht, Gedanken zu Ariella Käslins Buch


„Gott sei Dank habe ich kein sportliches Talent.“ war mein Gedanke, nachdem ich dieses Buch das erste Mal gelesen hatte. Ja, ich war das erste Mal in meinem Leben dankbar dafür, kein sportliches Talent zu haben. Ich, die ich in meiner Jugend sehr darunter gelitten habe, dass ich nicht nur kein sportliches Talent, sondern absolut unfähig bin. Ich, die ich auch noch als Erwachsene glaubte, dass erfolgreiche Spitzensportler die glücklichsten Menschen sein müssen. Ausgerechnet ich, war nach der Lektüre dieses Buches einfach nur dankbar, normal zu sein.

Zu Olympia habe ich dieses Buch wieder hervor genommen. Und einiges ist mir diesmal deutlich geworden. Dieses Buch, Ariellas Erleben hat viel mehr mit dem Leben zu tun, als man auf den ersten Blick glaubt. Es ist keine „Abrechnung“ mit dem Spitzensport. Es ist eine Innensicht eines Menschen, der in eine Lebenskrise schlittert. Jedem von uns kann genau das passieren.




Leiden im Licht – und keiner merkts

Ich habe die Kunstturn – Wettkämpfe bei Olympia verfolgt. Und mich dabei immer gefragt: Wie geht es diesen jungen Menschen wirklich. Sie die gewonnen haben, Gold, Silber oder Bronze. Sind sie glücklich? So glücklich, wie sie wirken? Wie werden sie von ihren Trainern behandelt? Achtet jemand darauf, dass sie nicht gebrochen werden? Achtet jemand darauf, dass sie nicht ihr Urvertrauen in sich selbst verlieren? Es ist wichtig, dieses Urvertrauen in sich. Für jeden Menschen. Es ist die Sicherheit, eine Situation richtig einzuschätzen, zu spüren, ich bin im Recht oder Unrecht. Für sich einstehen zu können, gegen Widerstand. Das kann ich im Fernseher nicht sehen, ich sehe nur die Tränen. Sind sie aus Freude? Aus Erleichterung? Aus Erschöpfung. Wir als Publikum interpretieren sie einfach als Freudentränen, weil wir es erwarten. Wir erwarten, dass der Sieger glücklich ist. Für Ariella bedeutete dies, dass ihre Innensicht und die Aussensicht immer weiter auseinander driftete. Mit der fatalen Folge, dass Ariella sich immer schlechter spürte. Ein Phänomen, dem ich bei meiner Arbeit in der Psychosomatik häufig begegnete. Menschen, die ihre Gefühle gar nicht mehr benennen können. Damit meine ich nicht, dass man sagen kann, es geht mir gut oder schlecht, schwarz oder weiss. Sich spüren heisst, seine Gefühle benennen zu können. Das klappt nicht immer auf Anhieb und braucht etwas mehr Zeit, als die Bewertung gut oder schlecht. Doch nur, wenn ich weiss, was ich fühle, kann ich auch nachvollziehen, warum ich jetzt gerade so reagiere und kann vielleicht auch entscheiden, anders zu handeln. Auch mir fehlt manchmal der Kontakt zu meinen Gefühlen. Da ich sehr auf Stimmungen und Eindrücke von Aussen reagiere, können meine eigenen Gefühlen davon ganz überdeckt werden. In der Bewertung führt dies dann zu: Ich fühle mich komisch. Mir hilft es dann, mich etwas zurück zu ziehen und zu schreiben. Völlig banal meine Gedanken auf zu schreiben, ohne darüber nach zu denken. Auch das hat einiges an Übung gebraucht, bis ich tatsächlich unzensiert alles aufgeschrieben habe was mir gerade durch den Kopf geht. Meist finde ich dadurch die Gefühle, die zu diesem „komisch“ gehören.
Leiden verlängert
„Und Du glaubst ich bin stark und ich kenn‘ den Weg.“ Dieses Lied von Ich + Ich ist mir immer wieder im Kopf herumgegangen, als ich „Leiden im Licht“ das zweite Mal las. Vor allem nach ihrem Rücktritt baute sich in der Öffentlichkeit das Bild auf, dass Ariella jetzt voll durchstartet in ihr neues Leben. Mit ihren Aussagen untermauerte Ariella diesen Eindruck. Irgendwie verständlich, dass Ariella die Fassade aufrecht erhielt. In einer Phase, in der es ihr extrem schlecht ging. Es hätte nur noch mehr Licht auf ihr Leiden geworfen.
Ich schätze Ariella so ein, dass sie ihr Leiden nicht kommunizieren konnte. Auch oder vor allem nicht den Menschen, die ihr Nahe standen. Sie schonte sie. In der Zeit mit dem Trainer, dessen Methoden ich als Laie als äusserst fragwürdig ansehe, fällt dies am meisten auf. Ariella hat vieles zurück gehalten, ich unterstelle ihr, dass sie dies aus Rücksicht auf ihre Familie getan hat. Dadurch hat sie nicht die Hilfe erhalten, die sie gebraucht hätte. Auch das beobachte ich oft. Menschen, die stark wirken, die den Eindruck erwecken, dass nichts sie erschüttert, können in der Krise keine Hilfe annehmen. Zum einen, weil sie wissen, wie sie nach Aussen wirken und sie Hilfe holen, mit Schwäche zeigen gleich setzen. Weil sie glauben, zu enttäuschen. So steht dann ihr ganzes Selbst auf dem Spiel. Ihre Liebsten mit ihren Sorgen belasten, kommt für stark wirkende Menschen nicht in Frage. Stark wirkende Menschen können auch kaum Hilfe annehmen, wenn sie angeboten wird. Ist dann ein stark wirkender Mensch eigentlich schwach? Eben weil er nicht Hilfe holen oder annehmen kann. Nein, bei weitem nicht. Stark wirkende Menschen, glauben nicht an sich. Stark wirkende Menschen, kennen ihr psychisches Potential gar nicht. Dies gilt es in der Krise zu erkennen und zu mobilisieren. Dazu kann es auch mal gut sein, liegen zu bleiben, Kraft zu sammeln. Ja, das kann auch eine Krankschreibung, eine psychische Begleitung oder auch eine Einweisung in eine psychiatrische Klinik bedeuten. Es geht ums Kraft sammeln, verstehen was mit einem passiert. Und dann erst kann man wieder aufstehen. Denn das ist ein Kraftakt.



Aus dem Licht von aussen zum inneren Licht
Ariella machte sich auf den Weg, auf den Weg zu sich selbst. Er war steinig und holprig. Sie hat sich begleiten lassen und scheint so den Weg gefunden haben. Das Licht von aussen, das es ihr so schwer machte sich zu finden, kann sie heute wohl für sich nutzen. Und ich wünsche Ihr von Herzen, dass sie die Quelle ihrer Kraft und das Licht in sich findet.