Freitag, 2. November 2018

Einfach nur Mensch




«Du bist nicht belastbar.» sagten sie mir,

als ich, nachdem ich monatelang 1-2 Stunden Überzeit machte, ich so oft einsprang, dass ich nie mehr als einen Tag am Stück frei hatte, krank wurde.

«Du bist zu emotional»

sagten sie mir, als ich weinte, nachdem ich einen Bewohner in den Tod begleitet habe.

«Du bist zu emotional»

haben sie mir jedes Mal gesagt, wenn ich meinen Ärger darüber kundtat, dass wir monatelang am personellen Limit liefen und uns noch mehr Aufgaben aufgedrückt wurden.



Jahrelang habe ich versucht, es zu verändern.

Ich wollte so belastbar sein, wie es von mir erwartet wurde.

Ich wollte nicht emotional sein.



Und ich bin grandios gescheitert.

Es hat lange gedauert, bis ich begriff: So wie ich bin, bin ich richtig.

Heute stehe ich da, und sage, frei nach Bliggs und Marc Sways Song:



«Wir sind doch auch nur aus Mensch

Knochen und Fleisch.»

Mein Körper hat seine Grenzen, ich darf sie spüren und darf auf sie hören.



«Ein Herz das schlägt,

Seele und Geist»

Ich pflege, mit allem was ich habe. Mit meinem Wissen, meinem Können und vor allem mit meinem Herzen. Meine Emotionen gehören zu mir. Ein Betrieb, der meine Emotionalität als Makel sieht, ist nicht der Betrieb, in dem ich arbeiten will.


«Wieviel können wir geben,

Wieviel verträgt es?»

 Ich allein weiss, wieviel ich geben kann. Ich allein spüre, wo meine Grenzen sind. Auf Vergleiche lasse ich mich nicht ein. Es gibt, tatsächlich Kolleginnen und Kollegen, die mehr aushalten als ich. Das ist okay. Vielleicht bin ich tatsächlich weniger belastbar als andere. Doch ist es meine «Leistung oder Nichtleistung», dass dem so ist? Kann «Belastbarkeit» tatsächlich gemessen werden. Sind wir Pflegenden nicht grundsätzlich schon belastbarer, als jene, die sich diesen Beruf von vornherein nicht zutrauen? Seit ich meine Grenzen kenne und lebe, bin ich jedenfalls gesünder als jemals zuvor.

Ich selbst bezeichne mich als emotionalen Menschen, sehe das als meine Stärke an. Emotionen sind dazu da, sie zu durchleben und so zu transformieren. Nur so ist Entwicklung möglich. Und nur so können wir selbst fühlen, wieviel Kraft in uns ist.



«Einfach nur Mensch

Knochen und Fleisch»

Auch Pflegende sind genau das: Menschen, aus Knochen und Fleisch. Wir haben Grenzen und sie immer und immer wieder zu überschreiten ist Raubbau am eigenen Körper und der Seele. Es hat nichts mit nicht belastbar sein zu tun, wenn Pflegende auf ihre körperlichen und psychischen Grenzen hören. Es hat nichts mit emotional sein zu tun, wenn Pflegende weinen oder sich ärgern.

Es hat damit zu tun, dass wir sind, wer wir sind und was wir sind.



Meine Lieben, Ihr alle seid einzigartig, wunderbar und wundervoll! 
Häbet Sorg!



Eure Madame Malevizia.

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