Foto Eve Kohler |
Es ist der 12. Mai «Tag der Pflege». Der Geburtstag von Florence Nightingale. Sie gilt als Begründerin der modernen Krankenpflege. Es ist der Geburtstag einer Frau, die sich nicht mit einem langweiligen Leben als Tochter aus reichem Haus zufriedengeben wollte. Es ist der Geburtstag einer Frau, die Pflege zu einem ehrbaren Beruf machte. Das hat sie getan, weil ihr eines klar war: Jeden Depp von der Strasse an ein Krankenbett zu stellen, ist nicht im Sinne der darin liegenden kranken oder verletzten Personen. Sie hat erkannt, dass wirkungsvolle Pflege, eine Ausbildung benötigt. Sie hat die nötigen Eigenschaften von Pflegenden erkannt: Verlässlichkeit, Geduld, Geschick, Erfahrung, Beobachtungsgabe, schnelle Auffassungsgabe und Intelligenz. Einige dieser Eigenschaften sind lernbar. Andere haben mit Erziehung zu tun. Ebenfalls hat Florence erkannt, dass die Infrastruktur wichtig ist. Ausreichend und sauberes Material, hygienische Örtlichkeiten. Dafür hat Florence sich eingesetzt, das hat sie gefordert. Die Wirksamkeit ihrer Forderungen hat sie mit Statistiken belegt.
Ich
bin Florence dankbar, dass sie den schönsten Beruf der Welt mitbegründet hat
und meine Eltern nicht fürchten mussten, dass ihre Tochter in der Gosse landet,
weil sie Pflegefachfrau wurde.
Darum
ist der 12. Mai für mich ein Feiertag. Ein Tag an dem ich Florence gedenke und
ein Glas auf diese, meine Heldin trinke. Ebenfalls treffe ich mich mit (hoffentlich)
vielen Kolleg:innen auf der Strasse und mache darauf aufmerksam, dass wir auch
heute nicht haben, was wir brauchen, um unseren Beruf ausüben zu können. Es
fehlt an Grundlegendem. Es fehlt an ausreichend Pflegenden. Schon seit
Jahrzehnten ist das so. Und wenig passiert. Warum? Weil genau diese
Eigenschaften, die uns mitausmachen, Verlässlichkeit und Geduld, gegen uns
verwendet werden. Zu viele Entscheidungsträger verlassen sich darauf, dass wir
weiter machen, dass wir das drölfzigste Mal einspringen oder den Dienst mit zu
wenig Personal durchziehen, ohne dass jemand dabei stirbt. Diese Haltung ist so
unglaublich kurzsichtig und fliegt uns allen nach 2.5 Jahren Pandemie immer
stärker um die Ohren. Noch mehr von uns mussten aufhören. Noch mehr von uns
mussten die Basis verlassen, weil sie nicht mehr konnten. Auch für sie stehe
ich am 12. Mai auf der Strasse. So darf es nicht weiter gehen! Dieses Spiel
muss endlich beendet werden. Doch dieses Spiel müssen auch wir selbst mit
beenden.
Foto Eve Kohler |
Dazu möchte ich einige Worte direkt an euch richten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir brauchen den Berufsstolz, damit wir die Kraft finden das Spiel, welches mit
uns gespielt wird zu beenden.
Immer
höre ich, wie ihr sagt: « Ich bin ja «nur», in der Langzeitpflege, in der
Psychiatrie, in der Rehab». Ich bitte euch, streicht das «nur». Gerade ihr, die
ihr so sehr vom Fachkräftemangel betroffen seid, betreibt Hochleistungssport.
Es gibt nichts Komplexeres als die Pflege und Betreuung von betagten Menschen.
Wollte frau dort alle Pflegediagnosen stellen, die Liste wäre von hier zum
Himalaya so lang. Ihr betreut nicht nur die Menschen in der Einrichtung,
sondern auch ihre Angehörigen. Ihr begleitet auf dem letzten Lebensabschnitt,
bis zum Tod. Macht das nicht klein. Ihr seid Pflegefachpersonen in der
Langzeitpflege.
Als
Psychiatriepflegefachpersonen begleitet ihr Menschen, die nicht dem «Muster»
entsprechen, Menschen in Lebenskrisen. Und nicht selten geht es auch dort um
Leben und Tod. Ihr seid da für diese Menschen in Situationen, in denen nicht
einfach ein «Tablettli» hilft und alles ist wieder gut. Eure «Werkzeuge» sind
Empathie, eure Sprache und euer Hintergrundwissen zu Themen sie Psychosen,
Suizidalität, Trauma und noch vieles mehr. Macht das niemals wieder klein. Ihr
seid Pflegefachpersonen in der Psychiatrie.
Als
Pflegefachpersonen in der Rehabilitation begleitet ihr Menschen nach schwerer
Krankheit, nach Unfällen. Ihr begleitet Menschen, die schon einen langen Weg
hinter sich haben. Menschen, für die nach einem Unfall nichts mehr ist wie es
war. Ihr geht mit ihnen den Abschnitt, in dem es darum geht, sich neu zurecht
zu finden, wieder nach Hause gehen zu können. Dazu braucht es die Fähigkeit zu motivieren,
es braucht das tägliche Üben von Fertigkeiten. Es braucht einen ganz langen
Atem. Es braucht das Wissen, wie eine Rehabilitation sinnvoll geplant werden
kann, es braucht das Wissen über Zielsetzung, Umsetzung, Planung. Sprecht nie
wieder von «nur». Ihr seid Pflegefachpersonen in der Rehabilitation.
Und
auch ihr, die ihr in Bereichen arbeitet, die etwas mehr Anerkennung erfahren.
Sprecht niemals von «nur» Pflegefachperson. Ihr habt eine Ausbildung
absolviert, die euch befähigt, da wo ihr seid, den Menschen, die es benötigen
eine Hilfe zu sein. Ihr habt euer Handwerk gelernt, mit allem Wissen und
Können, welches es dafür benötigt. Ihr seid Pflegefachpersonen. Ihr habt euch
für einen der vielen Bereiche entschieden, weil ihr dort eure Stärken am besten
entfalten könnt. Genau dort wo ihr seid, seid ihr grossartig. Und damit ihr
eure Stärken weiter zur Verfügung stellen könnt, ist es so wichtig, dass ihr
auf euch achtet. Auf eure geistige und körperliche Gesundheit. Und das nicht
nur am 12. Mai, sondern immer. «Was nutzt ein Leuchtturm, wenn die die Lampe
nicht mehr brennt?», Dieser Statz stammt von Liliane Juchli, einer weiteren
Pionierin, in der Pflege. Zu viele von uns sind schon erloschen, seid es Euch
wert, euer Licht zu hüten. Dazu gehört es, «Nein», zu sagen, wenn ihr «Nein»,
fühlt und zu sagen, was ihr braucht und Arbeitgeber zu verlassen, die euch das
nicht geben. Dazu gehört es, auf die Umsetzung der Pflegeinitiative zu bestehen
und den damit geschaffenen Rahmen in der Praxis einzufordern und zu leben.
Ich
wünsche euch allen einen schönen 12. Mai und vergesst nicht heute ein Glas zu
trinken, auf Florence, auf euch und auf uns Pflegende.
Patricia
Tschannen,
dipl.
Pflegefachfrau HF und Pflegehexe