2013 war das Jahr, in dem ich mich mit
der Möglichkeit auseinander setzen musste, dass ich keine Kinder bekommen
würde. Bisher hatte ich mich nie bewusst mit diesem Thema befasst. Meinen
Kinderwunsch habe ich bisher nicht wahrgenommen. Ich habe mich auch nie als
Mutter gesehen. Aber in meinem Unterbewusstsein scheint doch irgendwo die Idee
oder der Wunsch nach einem Kind zu sein.
Schon seit mehreren Jahren hatte ich
grosse Probleme während der Menstruation. Ich hatte Krämpfe, so stark, dass mir
schwindlig wurde. Die Blutungen waren heftig, oft blutete ich meine Kleidung
durch und sie dauerten lange, manchmal mehr als 10 Tage. Mein Eisenspiegel fiel
mehrmals in sehr tiefe Bereiche. Dauernde Müdigkeit, Denkstörungen (ich fand
Worte nicht, vergass alles), und depressive Symptome waren die Folge. Eine
Untersuchung bei der Gynäkologin zeigte, dass sich meine Gebärmutterschleimhaut
nicht vollständig ablöste. Eine Ausschabung brachte nur mässigen Erfolg. Da
meine Lebensqualität stetig abnahm, entschloss ich mich, gemeinsam mit meinem
Mann im April 2013 dazu, die Pille zu nehmen, und so meine Menstruation zu
regulieren. Uns beiden war klar: Das ist auch die Entscheidung gegen ein Kind
oder wie ich es nenne: Die Entscheidung für die Kinderlosigkeit. Und damit
begann die Achterbahn.
„Bin ich eine Frau, wenn ich keine
Kinder habe? Habe ich das Recht, nicht alles zu versuchen, auf Pflegekinder und
Adoption zu verzichten?“
Tagebucheintrag 4. April 2013
Immer wenn in meinem Leben
Schwierigkeiten auftreten, versuche ich diese auch mit meinem Verstand zu
verarbeiten. Ähnlich wie Hermine Granger in Harry Potter suche ich nach allem,
was ich über dieses Thema lesen kann. Diesmal funktionierte diese Strategie
jedoch nicht. Es fehlte schlicht an Lesestoff. Ich fand gerade mal ein einziges
Buch und einen Text von Esther Quarroz im Netz. Offensichtlich gibt es eine
unübersichtliche Menge an Literatur zum Thema Kinderwunsch, sprich wie bekomme
ich ein Kind, wenn es nicht sofort klappt? Aber kaum Brauchbares zum Thema: Wie
gehe ich damit um. wenn es wirklich nicht klappt?
Meine bisherige Strategie funktioniert
also nicht und ich schlittere mitten in eine Krise.
„Ich habe es ausgesprochen: `Ich bekomme
keine Kinder.‘ Es war schwierig, die Hilflosigkeit auszuhalten und das ‚Vielleicht
geht es ja doch. Ihr könntet ja Pflegekinder aufnehmen‘ noch mehr.“
Tagebucheintrag, 16. April 2013
Kinderlosigkeit ist ein Tabu. So oft
werde ich angesprochen, ob ich Kinder habe, und wenn ich ehrlich darauf
antworte, dass es keine geben wird, entsteht peinliches Schweigen. Mein
Gegenüber ist mit der Situation völlig überfordert und flüchtet sich ins
Prinzip Hoffnung im Sinne von: „Ihr könnt ja adoptieren.“ Dass dies mir
Minderwertigkeit suggeriert, weil ich kein Kind vorweisen kann, kommt keinem in
den Sinn. Auf diesem Weg möchte ich mich bei Sandra bedanken, die in diesem
Moment das Richtige gesagt hat. Nämlich schlicht: „Das tut mir leid!“
In diesem Leben gibt es nichts Grösseres und Schöneres als die Liebe unserer Kinder – denn sie tragen unser Herz.
Es gibt nichts Schöneres als Kinder!
(Spruch auf Facebook gepostet)
Ich
kann es nicht mehr hören! Kinder, das grösste Glück dieser Erde! Das heisst
doch, wenn ich keine Kinder habe, weiss ich nicht, was Glück ist? Diese
Anmassung! Nur weil der Zufall ihnen geschenkt hat, was mir verwehrt bleibt,
dürfen sie mich mit diesen Worten abwerten?
In
der Stadt begegnen mir lauter Schwangere, die glücklich ihr Bäuchlein
streicheln. Warum müssen sie ihr Glück so präsentieren?! Und alle Kinderwagen
sind im Weg und natürlich müssen sie sich zur Hauptverkehrszeit in den
überfüllten Bus zwängen. Und überall glauben sie Vortritt zu haben.
Neid, Eifersucht, Wut.
Völlig
unvorbereitet, wie alles was mit dem Thema zusammenhängt treffen sie mich,
diese Gefühle. Und obwohl ich weiss, dass diese Gefühle ein Teil der Trauer
sind, gestehe ich sie mir kaum zu. Mit Groll gegen die werdenden und seienden
Mütter marschiere ich durch die Strassen.
Aber
ich weiss auch, dass ich nicht in diesen Gefühlen haften bleiben will. Ich will
keine verbitterte Tante (und ich bin tatsächlich schon dreifache Tante) werden.
„Mutter sein ist nicht meine Magie, aber
ich werde sie finden.“
(5.
April 2013)
Ich
will Frieden schliessen mit meinem Leben, dem mir bestimmten kinderlosen
Lebensweg. Das ist für mich schon von Anfang an klar. Gemeinsam mit Frau
Quarroz, ihr Text im Internet hat mich zu einem Coaching geführt, mache ich
mich aber erst im Sommer 2014 wirklich auf den Weg. so lange habe ich Zeit
gebraucht, um zu betrauern, was ich nicht haben werde. Und auch heute gibt es
noch Momente in denen sie kommen, die Traurigkeit, die Wut, das Verhandeln,
„Warum ich nicht?“, der Schmerz darüber, dass ich alle die schönen Traditionen
nicht werde weiter geben können.
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