Meine Lieben,
Immer wieder fällt mir auf, wie wenig die Menschen
über den Beruf der Pflegefachpersonen wissen. Jüngere Berufskolleginnen (es
sind fast ausschliesslich Frauen), erzählen mir oft, dass sie im Ausgang, wenn
sie ihren Beruf offenbaren den Satz zu hören bekommen: „Ach, du tuesch chli
chrankeschwösterle.“ Was man leicht als billige Anmache abtun kann, zeigt
jedoch deutlich auf, wie wenig Respekt unser Beruf in der Gesellschaft
geniesst. Auch in der Politik scheint der Eindruck vom „chli
chrankeschwösterle“ sich hartnäckig zu halten. Anders kann ich es mir nicht
erklären, dass es Politiker und Politikerinnen gibt, die glauben, die
Pflegeinitiative sei nicht nötig.
Ich
möchte meine jungen Kolleginnen ermutigen, auf diesen Satz antworten: „Ich
mache den Unterschied zwischen Leben und Tod.“
Denn genau das tun wir Pflegefachpersonen (so ist
die offizielle Bezeichnung der Krankenschwester in der Schweiz. Darauf lege ich
Wert, seit ich auf Google Bilder unter dem Schlagwort Krankenschwester gesucht
habe).
Es ist die Pflegefachperson, die Frischoperierte
überwachen.
Es sind die Pflegefachpersonen, die bei einem
Volumenverlust und den damit zusammen hängenden Blutdruckabfall als erste
reagieren
Es sind die Pflegefachpersonen, die den
durchgebluteten Verband bemerken.
Es sind die Pflegefachpersonen, die allergische
Reaktionen auf Medikamente oder Bluttransfusionen als erste registrieren.
Es sind die Pflegefachpersonen, die eine Atemnot
bemerken und erste Schritte einleiten.
Es sind die Pflegefachpersonen, die um frühe
Mobilisation, besorgt sind, um Thrombosen und ihre Folgenzu verhindern.
Es sind die Pflegefachpersonen, welche die
Hautverhältnisse überwachen, damit Dekubiti vermeiden, sowie Hauterkrankungen
wie Pilze oder ähnliches erkennen.
Es sind die Pflegefachpersonen, die an den heissen
Tagen darum besorgt sind, dass alte Menschen genügend Flüssigkeit erhalten.
Es sind die Pflegefachpersonen, die bemerken, wenn
aus einer Drainage nicht die Flüssigkeit herauskommt, die laut seiner Lage
normal wäre.
Es sind die Pflegefachpersonen, welche die
Suizidgefahr bei psychisch kranken Menschen einschätzen und sie, wenn nötig in
Sicherheit bringen.
Es sind Pflegefachpersonen, die in der Psychiatrie
akute Krisen auffangen. Und Menschen in solchen Krisen durch ihre persönliche
Hölle begleiten.
Es sind die Pflegefachpersonen, die bei einem
Herzkreislaufstillstand mit der Reanimation beginnen, bis das REA – Team da
ist.
Ich
möchte meine Kolleginnen ermutigen, zu antworten: „Ich bin der Unterschied
zwischen würdigem oder unwürdigem Leben und Sterben“
Es sind die Pflegefachpersonen, die Sterbende und
ihre Angehörigen bis zum letzten Atemzug und darüber hinaus begleiten. Die
dafür sorgen, dass Sterbende keine Angst, keine Schmerzen und keinen Durst
leiden müssen.
Es sind die Pflegefachpersonen, die sich darum
kümmern, dass volle Einlagen gewechselt werden, dass demente Menschen, die
Toilette finden, dass von Kot und Urin verschmutzte Betten frisch bezogen
werden.
Es sind die Pflegefachpersonen, die bei
depressiven Menschen so lange dran bleiben, bis diese die Kraft aufbringen,
ihre persönliche Körperpflege durchzuführen.
Es sind die Pflegefachpersonen, welche die
Autonomie von pflegebedürftigen Menschen wahren.
Das alles und noch viel mehr tun
Pflegefachpersonen. Sie tun es, unter massivem Zeit – und Kostendruck, der
häufig ungefiltert an sie abgegeben wird.
Dies alles zu tun, erfordert nicht nur ein fundiertes
Fachwissen und Können, es erfordert auch Herz und seelische Substanz.
„Tuesch
chli chrankeschwösterle“
Wenn dann eine Pflegefachperson an einem Abend
feiern geht, dann hat sie meiner Meinung nach mehr verdient als diesen
abgedroschenen Spruch. Dann hat sie es verdient, Worte des Respekts und des
Dankes zu hören, egal in welcher Stimmung das Gegenüber ist.
Eure Madame Malevizia
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