Meine Lieben,
Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative
für eine starke Pflege (Pflegeinitiative) ab. Für mich nicht wirklich
überraschend. Es ist sein gutes Recht, das zu tun. Dass er es tut, ohne einen
Gegenvorschlag zu machen, enttäuscht mich. Die Medienmitteilung, in welcher der
Bundesrat seine Ablehnung begründet, macht mich wütend.
Ich empfinde sie als Schlag ins Gesicht,
jeder Pflegenden und jedes Pflegenden, die täglich ein System aufrechterhalten,
welches kurz vor dem Kollaps steht. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache,
sie sind dem Bundesrat bekannt. Bereits jetzt fehlt es an Pflegefachkräften,
die Tendenz ist steigend. Vor allem in der Langzeitpflege. Aber auch in den
Akutspitälern und in der Spitex spitzt sich die Lage zu. Der Mangel droht nicht
nur, er ist da. Dieser Umstand wird in der Medienmitteilung mit keinem Wort
erwähnt.
Doch schauen wir uns die
Pressemitteilung mal genauer an. Mit grossem Vergnügen, mit kochender
Hexenseele, werde ich zu einzelnen Aussagen Stellung beziehen.
«Der Bundesrat hat Verständnis für die Forderung der
Initiantinnen und Initianten, dass Bund und Kantone sich weiterhin gemeinsam
für genügend und gut qualifiziertes Pflegefachpersonal einsetzten müssen.»
Ich habe so was von genug von diesem
gönnerhaften Schulterklopfen! Ich habe genug, von diesem Verständnis, dass doch
nur Heuchelei ist. Jahrelang haben sich Pflegende mit diesen
Lippenbekenntnissen abspeisen lassen. Sie haben stillgehalten, sie haben
Betriebe aufrechterhalten, oft auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit. Und was hat
es ihnen gebracht? Die Politik verlässt sich darauf, dass die Pflegenden das
weiterhin tun werden. Und lassen die Pflegenden mit ihren Problemen kläglich im
Stich! Weder Bund noch Kantone schauen hin, was dieser Fachkräftemangel konkret
bedeutet.
«Die Ausbildungsabschlüsse in der beruflichen
Grundbildung steigen.»
Und damit ist das Problem gelöst? Ja,
die Abschlüsse in der Ausbildung Fachfrau/Fachmann Gesundheit steigen. Und es
freut mich ausserordentlich, dass sich so viele junge Menschen für diese
Ausbildung entscheiden. Doch dies alleine reicht nicht. Nicht jede FaGe wird
auch Pflegefachperson. Einige entscheiden sich für ein anderes Studium,
Ernährungsberatung HF, beispielsweise. Viele bleiben FaGe, häufig, weil sie
nicht noch 2 Jahre weiterstudieren möchten, oder es ihre finanzielle Lage nicht
zulässt. Und dann gibt es bedauerlicherweise auch noch jene, die schon nach
dieser Grundausbildung aufgeben. Weil sie sich das nicht mehr antun wollen und
können. Ich kenne die genauen Zahlen nicht, weiss aber, dass die höheren
Fachschulen grösste Mühe haben ihre Klassen zu füllen. Dass der Bundesrat mit
seiner Medienmitteilung vorgaukelt, dass schon genug getan wird, um dem
Fachkräftemangel zu beheben, ist eine absolute Frechheit. Wäre dem so, hätte
der SBK niemals die Mühen auf sich genommen, die Pflegeinitiative zu lancieren.
«…sowie eine Kampagne, um das Image der Ausbildung
und Karriere in der Langzeitpflege zu verbessern.»
Gerne würde ich dem Idi.. ähm netten
Menschen, der diesen Satz geschrieben hat persönlich begegnen.
Pflegende in der Langzeitpflege brauchen
keine Imagekampagne. Die Arbeit in der Langzeitpflege ist enorm vielseitig,
spannend und absolut bereichernd. Mit dem Fachkräftemangel, den extremen
personellen Einsparungen, dem ständigen am Limit laufen, ist die Langzeitpflege
zu physischem und psychischem Höchstleistungssport verkommen. Notabene ohne die
Chance, jemals zum Sportler des Jahres gewählt zu werden. Pflegende in der
Langzeitpflege brauchen Massnahmen, die es ihnen ermöglichen, ihren Beruf
auszuüben ohne die eigene Gesundheit riskieren zu müssen.
«Weiter setzt sich der Bund dafür ein, dass Betriebe
unterstützt werden, die ihre Arbeitsbedingungen attraktiver gestalten möchten.»
Die Betriebe werden also höflich
gebeten, ob sie vielleicht eventuell ihre Arbeitsbedingungen verbessern
möchten? Die Betriebe müssen in die Pflicht genommen werden, es ihren
Pflegenden zu ermöglichen, ihre Arbeit so zu machen, wie sie es gelernt haben.
Denn nur darum geht es den Pflegenden. Sie wollen keine Herzchen und
Schleifchen und auch kein Silberbesteck. Sie wollen einzig ihren Beruf ausüben
können. Und dies zum Wohle aller.
«Der Bundesrat teilt die Ansicht des
Initiativkomitees, dass die Pflege, wie die Hausarztmedizin, ein
unverzichtbarer Bestandteil der medizinischen Grundversorgung ist. Er hält aber
fest, dass der Verfassungsartikel zur medizinischen Grundversorgung (117a BV)
für die von den Initiantinnen und Initianten geforderte Stärkung der Pflege
durch Bund und Kantone im Rahmen der bestehenden Zuständigkeiten ausreicht.»
Dass dieser Artikel nicht ausreicht,
haben die letzten Jahre eindrucksvoll bewiesen. Würde er ausreichen, um Bund
und Kantone in Bewegung zu bringen, wäre der Fachkräftemangel und der daraus
resultierende Pflegenotstand niemals so eskaliert. Mehr gibt es zu diesem
Argument nicht zu sagen.
«Der Bundesrat ist darüber hinaus der Überzeugung,
dass eine direkte Abrechnung von Pflegeleistungen zulasten der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung (OKP) ohne koordinierende Massnahmen zu einer
Mengenausweitung und damit zu unerwünschten Kostenentwicklungen im
Gesundheitswesen führen dürfte.»
Herr Bundesrat Cassis lässt grüssen. Es
macht mich so was von sauer, dass Pflegenden als erstes Geldgier unterstellt
wird. Aber ich will es an einem Beispiel, welches Christina Hiltbrunner,
Pflegefachfrau (EVP) schon gebracht hat erklären. Toilettentraining. Eine pflegerische
und keine ärztliche Leistung. Schliesslich ist es die Pflegende, die a, die
Inkontinenz feststellt, und b, ist sie es, die den individuellen Plan erstellt
und durchführt. Um eben diese Leistung überhaupt bezahlt zu bekommen, benötigt
sie die Verordnung eines Arztes. Und das soll noch effizient sein? Das soll
kostengünstig sein? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Kosten im
Gesundheitswesen nicht belastet. Und wenn wir dann schon über Mengenausweitung
sprechen, sollte sich der Bund mal damit beschäftigen, wieviel Zeit Pflegende
mit der Dokumentation von pflegerischen Massnahmen aufwendet, damit sie ihre
Leistungen lückenlos belegen kann und von den Krankenkassen auch entsprechend
bezahlt wird.
«Hingegen hat der Bundesrat das EDI beauftragt, unter
Einbezug der wichtigsten Akteure und des Initiativkomitees weitere Massnahmen
zu prüfen und zu erarbeiten. Die berechtigten Anliegen der Initiantinnen und
Initianten sollen im Rahmen der bestehenden Kompetenzen mit konkreten
Lösungsansätzen aufgenommen werden.»
«Mit den wichtigsten Akteuren…» Das wird
nicht stattfinden. Denn die wichtigsten Akteure sind die Pflegenden an der
Basis, und die werden wohl kaum an einen Tisch gebeten werden. Wisst ihr, wovon
ich träume? Dass die Pflegenden an er Basis endlich gefragt werden: «Was
braucht ihr, dass ihr euren Beruf ausüben könnt?»
Pflegehexerisches Fazit
Zwischen den
Zeilen dieser Medienmitteilung lese ich vor allem eines: «Das kostet uns zu
viel.» Und genau das, macht mich noch wütender. In einem Land, das Millionen
für die Armee (wohlverstanden, ein Land, dass sich neutral nennt), das
ebenfalls bereit ist, Millionen für eine Olympiade aufzubringen, ist auch Geld
da, eine würdige Pflege zu ermöglichen.
Mit der
Ablehnung des Bundesrats ist die Pflegeinitiative nicht vom Tisch. Auch das
Parlament wird noch darüber beraten. Für die Pflege ist es ein wichtiger
Schritt, dass überhaupt über sie gesprochen wird.
Ich erwarte
jedoch auch da keine andere Haltung. Denn schon die Initiative Joder ( die
weniger weit ging, als die Pflegeinitiative), fand keine Unterstützung.
Das letzte Wort
werden die Stimmbürger haben. Ich hoffe darauf, dass diese mehr Herz und
Verstand haben.
Eure
Madame Malevizia
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