Finanzielles
Der eine oder die andere rümpft bestimmt
schon die Nase und meint «War ja klar, die wollen einfach mehr Geld.» Geld ist
tatsächlich ein Faktor. Sollen nämlich Familienfrauen und –männer im Beruf
bleiben, oder diesen neu erlernen, muss es möglich sein, mit dem erarbeiteten
Lohn eine Familie durchzubringen. Und das mit einem Pensum, in dem die Kinder
Mami und Papi auch noch zu Gesicht bekommen. Geld kann auch ein Anreiz sein, an
einem Ort zu arbeiten, an dem der Arbeitsaufwand und der Anspruch an die
Pflegenden hoch ist. Ganz ehrlich, wenn ich schon geistigen sowie körperlichen
Höchstleistungssport betreibe, will ich auch etwas dafür bekommen. Christiano
Ronaldo würde für den Lohn, welchen Pflegefachpersonen verdienen, nicht einmal
seine Fussballschuhe anziehen, geschweige denn auf den Platz gehen.
Verbindlichkeit
statt unendlicher Verfügbarkeit
Die Idee, dass Pflegende weiterhin
24Stunden und 365 Tage pro Jahr verfügbar sein müssen, ist absurd. Auch
Pflegende werden mal krank, auch sie haben das Bedürfnis nach Ausgleich. Und
gerade sie haben jedes Recht darauf. Das Gesundheitswesen krankt vor allem
daran, dass alle Pflegenden in allen Schichten arbeiten müssen, die überhaupt
nicht ihrem Biorhythmus entsprechen. Es ist schlicht «Tierliquälerei», wenn
Pflegende Nachtwache machen müssen, sie tagsüber aber nicht schlafen können und
umgekehrt genauso. Ebenso muss es möglich sein, sich in einem Verein zu
engagieren oder einem Hobby zu frönen. Dies bedingt eine gewisse
Regelmässigkeit im Einsatzplan. Ebenfalls muss dieser Einsatzplan verbindlich
sein. Frei ist frei und da klingelt kein Telefon mit der dringenden Bitte, der
je nach Betrieb gar zum Befehl ausarten kann, wegen eines Krankheitsausfalls
einzuspringen.
Ich wüsste gerne, wie manche
Pflegedienst- oder Heimleitung jetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlägt
und ruft: «Aber das geht doch gar nicht!» Bis jetzt hat es aber auch niemand
ernsthaft versucht. Ich bin der Auffassung, die Betriebe müssen dies ebenso
lange umzusetzen versuchen, wie sie von der ständigen Verfügbarkeit der
Pflegenden profitiert haben. Das dürften so um die hundert Jahre oder mehr
sein.
In genau in dieser Verfügbarkeit, die zu
einer Verbindlichkeit werden soll, liegt so viel Potenzial. Viele Pflegende
verlassen ihren Beruf genau deswegen. Viele Pflegende kehren nicht zurück, weil
sie nicht so verfügbar sein können, wie die Betriebe es erwarten. Kinder kann
man halt nicht eben mal schnell in die Gefriertruhe packen, wenn Mami oder Papi
arbeiten sollten.
Unterstützung
Allzu oft werden Pflegende mit ihren
Alltagsproblemen alleine gelassen. Ich meine das jetzt ganz praktisch. Es
braucht Experten vor Ort, die in komplexen Situationen beratend und
unterstützend beistehen. Das bedingt jedoch, dass diese Experten neben theoretischem
auch über ebenso hohes praktisches Fachwissen verfügen. Pflegende wollen sich
in dem was sie tun sicher fühlen. Ist dies nicht der Fall, verlassen sie
irgendwann frustriert die Berufswelt. Pflegende sind an Wissen interessiert,
vor allem die jungen Pflegenden sind hungrig und wollen sich weiterbilden.
Solche Pflegende brauchen Perspektiven. Werden sie gefördert, bleiben sie dem
Gesundheitswesen erhalten.
Kompetente
Vorgesetzte
Ein unendlich wichtiger Faktor sind die
Vorgesetzten. Pflegende brauchen keine lieben Vorgesetzten, die mit
Säuselstimmchen unbestimmte Weisheiten von sich geben. Klarheit ist hier
gefragt. Klarheit, Kompetenz und Kraft. Sie brauchen Vorgesetzte, die zum einen
ganz genau wissen was sie selbst tun, aber ebenso genau, was ihre Mitarbeiter
tun. Nötig sind Vorgesetzte, die zu ihrem Wort stehen und für die Mitarbeiter
verlässliche Partner sind.
Wertschätzung
Es ist keine Imagekampagne nötig. Nein,
ich muss es anders formulieren. Eine Imagekampagne ist zum heutigen Zeitpunkt
nicht möglich. Sie ist nicht realisierbar, weil sie gelogen wäre. Für mich ist
Pflegefachfrau der schönste Beruf, den es gibt. Durch den ständig wachsenden
Spar- und Zeitdruck wird es uns aber schier unmöglich, diesen adäquat
auszuüben. Das bekommt jeder mit, der jemals einen Fuss in eine
Gesundheitseinrichtung gesetzt hat. Irgendwelche Friede- Freude- Eierkuchen
Aktionen entsprechen im Moment einfach nicht der Realität.
Für Pflegende hilfreich wäre eine
Wertschätzungskampagne. Ein öffentliches «Dankeschön, dass ihr an Weihnachten,
Neujahr, Ostern, Pfingsten etc. da seid. Dankeschön, dass ihr tut, was ihr
tut.» Es braucht keine Plakate mit strahlenden Pflegenden, die betonen, wie
schön, spannend, vielseitig der Beruf ist. Viel wichtiger ist es, dass die
Menschen in diesem Land, den Pflegenden Anerkennung für ihr Tun geben. Und da
musss mehr kommen als: «Ich könnte das nicht.» Wertschätzung heisst, Pflegenden
zu zuhören, was sie in ihrem Alltag erleben. Da ist nämlich nicht nur Leid,
Schmerz und Ekel. Da ist auch ganz viel Freude, da sind Wunder, da ist Demut,
da ist Leben. Indem unsere Gesellschaft dieses Erleben von Pflegenden, die
Schatten wie die Lichter, in ihre Mitte holt, kann es auch wieder mehr kleine Mädchen und Jungen geben, die
sagen: «Ich will Pflegefachperson werden.»
In der Hoffnung einige Denkanstösse
bewirkt zu haben, schliesse ich diesen Bericht
Eure
Madame Malevizia
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