Meine Lieben,
Mein heutiger Blog
richtet sich an die Gegner der Pflegeinitiative und oder den Indirekten
Gegenvorschlag, welcher schon bald im Parlament diskutiert werden wird. Ich
habe mich mit ihren Argumenten befasst und es ist mir wichtig hier Stellung zu
nehmen, damit auch Ihr Euch darüber Gedanken machen und auf diese entsprechend
reagieren könnt. Dabei werde ich mich immer wieder auf ein Communiqué der
Santésuisse beziehen, welches mich zu diesem Blog veranlasst.
Der Sonderstatus
Es wird immer wieder
geäussert, dass es nicht gehe einer Berufsgruppe, in diesem Fall also den
Pflegefachpersonen einen Sonderstatus einzuräumen. Mir ist nicht ersichtlich,
welcher Sonderstatus da gemeint ist.
Die gesetzliche
Anerkennung der Pflege als eigenständiger Beruf ist kein Sonderstatus, es ist
die Anpassung des Gesetzes an die Realität. Sollte dies nicht endlich umgesetzt
werden, müsste die Pflege darüber nachdenken, die Realität dem Gesetz anzupassen.
Übernehmen dann jene, die jetzt von Sonderstatus sprechen, die Verantwortung
für das Leid und die Toten, die das nach sich ziehen würde?
Leugnen des bereits
bestehenden Pflegenotstandes
Es ist eine absolute
Frechheit den Pflegenotstand in der Schweiz bestreiten zu wollen. Wer das tut,
verschliesst seine Augen und Ohren. Wer es öffentlich tut, reisst dafür den
Mund umso weiter auf. Ich habe keine Lust mehr über Fakten zu diskutieren und
an ihnen herum zu deuteln.
In anderen Ländern ist
das Verhältnis Pflegende/ Patienten noch schlechter
Immer wieder werden wir
Pflegenden als hysterische Hühner hingestellt, so nach dem Motto, tut doch
nicht so, ist doch alles nicht so schlimm, in anderen Ländern sind die
Bedingungen noch schlechter. Ich bin ehrlich entsetzt, dass die Satnésuisse
sich qualitativ nach unten orientiert. Die Pflege ist der einzige Berufsstand,
dem dies zugemutet wird. Einmal mehr wird den Pflegenden suggeriert, «Tut doch
nicht so blöd, ist doch alles nicht so schlimm.» Man reiche mir bitte den
Brechbeutel. Denn das ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten.
In Deutschland sterben
mittlerweile Kinder, weil sie keinen Intensivpflegeplatz bekommen. Die Plätze
wären physisch da, aber es fehlen die Pflegenden, welche sie betreuen können.
Muss es in der Schweiz auch soweit kommen? Bereits jetzt werden in Institutionen
Betten (Intensiv- und Bettenstationen) geschlossen, weil die Pflegenden fehlen.
Auch werden da Äpfel
mit Birnen verglichen. Da sich die Ausbildungen sowie die Aufgabenbereiche der
Pflege in den verschiedenen Ländern deutlich unterscheiden.
Die Akademisierung der
Pflege ist Ursache des Fachkräftemangels
In gewissen Kreisen
(santésuisse und gewisse Bürgerliche Parteien) hält sich hartnäckig das
Gerücht, dass für eine professionelle Pflege der gesunde Menschenverstand
ausreicht.
Ich nehme diese
Menschen in Zukunft beim Wort. Jeder, der das behauptet, darf mit seinem
gesunden Menschenverstand zu mir auf die Nachtwache kommen und meine 12
Patienten übernehmen. Ich bin gespannt, wie er/sie sich innerhalb von 30min
einen Überblick verschafft, die Diagnosen der Patienten, sowie deren
Operationen nachvollziehen kann und weiss, was über die Nacht bei ihnen zu tun
sein wird. Ich werde gerne zusehen, wie er mit seinem gesunden Menschenverstand
die Medikamente fachgerecht vorbereitet und verabreicht. Ich werde auch sehr
gerne sehen, wie er/sie mit gesundem Menschenverstand die Drainagen der
Patienten kontrolliert und deren Sekrete beurteilt. Und am meisten möchte ich
miterleben, wie sie den Gesundheitszustand eines Menschen beurteilt, der von
jetzt auf gleich hochinstabil ist. Wenn er es dann noch schafft, die notwendigen
und lebenswichtigen Massnahmen einzuleiten, ist er Superman oder sie
Wonderwoman.
Viele werden jetzt
sagen, dass da natürlich nicht die Akutpflege gemeint sei, aber in der
Langzeitpflege sei das schon so. Ich bin sicher, meine Kolleginnen und Kollegen
werden mit Vergnügen zusehen, wie diese Menschen, bei bewegungsunfähigen
Menschen, oder bei einem von Demenz Betroffenen, die Körperpflege durchführen.
Gerne würde ich auch wissen, wie sie mit ihrem gesunden Menschenverstand einem
Menschen mit Schluckstörungen das Essen eingeben, notabene ohne, dass dieser
Mensch hinterher eine Aspirationspneumonie erleidet. Ich bin ehrlich daran
interessiert, wie diese Menschen mit ihrem gesunden Menschenverstand es dann
auch noch schaffen die Dokumentation so zu führen, dass die Krankenkasse für
die erbrachten Leistungen bezahlt.
Es wird immer wieder
argumentiert, dass die «Studierten» ja gar nicht mehr bei den Patienten seien.
Gerade die Krankenkassen sollten sich da mal an der eigenen Nase nehmen. Sie
sind es nämlich, die hochausgebildete Pflegefachpersonen in ihren
Controllingabteilungen anstellen. Mit ihren besseren Arbeitsbedingungen werben
sie diese den Institutionen ab. Es sind auch die Kassen, die nur bezahlen, was
als wirksam erwiesen ist. Und wie soll bewiesen werden, dass diese oder jene Pflegeintervention
wirksam ist, wenn die Pflege keine eigenständige Forschung betreiben kann?
Die Pflegeinitiative
hilft nur den Pflegefachpersonen
Im Initiativtext geht
es tatsächlich nur um die Pflegefachpersonen HF. Ich bin jedoch der Meinung,
dass eine Ausreichende Anzahl Pflegefachpersonen in den Institutionen, auch den
Fachangestellten Gesundheit sowie den Assistenzpersonen hilft. Sie müssten dann
nämlich nicht mehr aus der Not heraus Aufgaben übernehmen, für die sie nicht
ausgebildet sind und die viele von ihnen immer wieder überfordern.
Die Mengenausweitung
Dieses Argument habe
ich bisher von allen Gegnern gehört/gelesen und ich nehme das echt persönlich!
Eines möchte ich mal
wissen: Was haben Pflegende getan, dass es offensichtlich Anlass dazu gibt, anzunehmen,
dass wir alle zum einen Betrüger und zum anderen geldgeil sind? Ist dieses
Misstrauen einem Berufsstand gegenüber, der über Jahrzehnte dazu beigetragen hat,
dieses Gesundheitssystem aufrecht zu erhalten, angebracht?
Ich bitte Euch meine Lieben,
genau diese Fragen zu stellen, wenn Ihr mit diesem Argument der
Mengenausweitung konfrontiert werdet. Scheut die Diskussion mit den Gegnern nicht, Ihr habt jedes Recht, sie zu führen. Tut es nicht nur für Euch, sondern auch für jene, die auf uns angewiesen sind.
Eure Madame Malevizia.
Vieles richtig und trotzdem kann ich nachvollziehen, dass es für einige möglicherweise als Beschweren, vielleicht nicht auf hohem, aber zumindest gehobenem Niveau erscheint.
AntwortenLöschenIch sehe auch regelmässig Überwachungsbetten, die wegen Pflegemangel geschlossen werden, was schlimm ist und behoben werden muss. Was ich nicht sehe, ist, dass dieses bei Ärztemangel auch passiert.
Da müssen die Anwesenden den Ausfall schlicht und ergreifend kompensieren. Auch immer wieder spassig auf Notfallstationen zu beobachten.
Und natürlich macht die Pflege teilweise relevant Überzeit. Aber bei der Pflege gibt es noch keine 50 Stunden Wochen und die Weiterbildung findet oft während der Arbeitszeiten statt. Alles Dinge von denen die Ärzte nur träumen können. Davon mal angesehen, dass auch das Argument des geldgeilen Arztes viel älter ist, als die jetzt erhobenen monitären Vorwürfe an die Pflege.
Vielleicht kommt die Ansicht einiger Politiker und Versicherungen, dass sich die Pflege 'nur anstellt' daher, dass sie wissen, dass junge Assistenzärzte mit 70-80 Stundenwochen noch viel mehr ausgebeutet werden und sie daher wissen, dass aus Menschen im Gesundheitswesen noch viel mehr rauszuquätschen ist?
Haben es Pflegeangestellte schwer? Ja!
Müssen sich einige Dinge im Gesundheitssystem bessern, auch zugunsten der Pflege? Ja.
Nichtsdestotrotz hat die Pflege aber auch eine recht gute Lobby und zumeist einen guten Rückhalt in der Gesellschaft (auch wenn es gerne anders kommuniziert wird) und es könnte noch wesentlich schlimmer sein.
Natürlich ist es trotzdem gerechtfertigt die zweifelsfrei bestehenden Missstände anzusprechen.