Sonntag, 18. August 2019

Die Argumente der Gegner - oder der gesunde Menschenverstand




Meine Lieben,

Mein heutiger Blog richtet sich an die Gegner der Pflegeinitiative und oder den Indirekten Gegenvorschlag, welcher schon bald im Parlament diskutiert werden wird. Ich habe mich mit ihren Argumenten befasst und es ist mir wichtig hier Stellung zu nehmen, damit auch Ihr Euch darüber Gedanken machen und auf diese entsprechend reagieren könnt. Dabei werde ich mich immer wieder auf ein Communiqué der Santésuisse beziehen, welches mich zu diesem Blog veranlasst. 


Der Sonderstatus

Es wird immer wieder geäussert, dass es nicht gehe einer Berufsgruppe, in diesem Fall also den Pflegefachpersonen einen Sonderstatus einzuräumen. Mir ist nicht ersichtlich, welcher Sonderstatus da gemeint ist.

Die gesetzliche Anerkennung der Pflege als eigenständiger Beruf ist kein Sonderstatus, es ist die Anpassung des Gesetzes an die Realität. Sollte dies nicht endlich umgesetzt werden, müsste die Pflege darüber nachdenken, die Realität dem Gesetz anzupassen. Übernehmen dann jene, die jetzt von Sonderstatus sprechen, die Verantwortung für das Leid und die Toten, die das nach sich ziehen würde?


Leugnen des bereits bestehenden Pflegenotstandes

Es ist eine absolute Frechheit den Pflegenotstand in der Schweiz bestreiten zu wollen. Wer das tut, verschliesst seine Augen und Ohren. Wer es öffentlich tut, reisst dafür den Mund umso weiter auf. Ich habe keine Lust mehr über Fakten zu diskutieren und an ihnen herum zu deuteln.


In anderen Ländern ist das Verhältnis Pflegende/ Patienten noch schlechter

Immer wieder werden wir Pflegenden als hysterische Hühner hingestellt, so nach dem Motto, tut doch nicht so, ist doch alles nicht so schlimm, in anderen Ländern sind die Bedingungen noch schlechter. Ich bin ehrlich entsetzt, dass die Satnésuisse sich qualitativ nach unten orientiert. Die Pflege ist der einzige Berufsstand, dem dies zugemutet wird. Einmal mehr wird den Pflegenden suggeriert, «Tut doch nicht so blöd, ist doch alles nicht so schlimm.» Man reiche mir bitte den Brechbeutel. Denn das ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten.

In Deutschland sterben mittlerweile Kinder, weil sie keinen Intensivpflegeplatz bekommen. Die Plätze wären physisch da, aber es fehlen die Pflegenden, welche sie betreuen können. Muss es in der Schweiz auch soweit kommen? Bereits jetzt werden in Institutionen Betten (Intensiv- und Bettenstationen) geschlossen, weil die Pflegenden fehlen.

Auch werden da Äpfel mit Birnen verglichen. Da sich die Ausbildungen sowie die Aufgabenbereiche der Pflege in den verschiedenen Ländern deutlich unterscheiden.



Die Akademisierung der Pflege ist Ursache des Fachkräftemangels

In gewissen Kreisen (santésuisse und gewisse Bürgerliche Parteien) hält sich hartnäckig das Gerücht, dass für eine professionelle Pflege der gesunde Menschenverstand ausreicht.

Ich nehme diese Menschen in Zukunft beim Wort. Jeder, der das behauptet, darf mit seinem gesunden Menschenverstand zu mir auf die Nachtwache kommen und meine 12 Patienten übernehmen. Ich bin gespannt, wie er/sie sich innerhalb von 30min einen Überblick verschafft, die Diagnosen der Patienten, sowie deren Operationen nachvollziehen kann und weiss, was über die Nacht bei ihnen zu tun sein wird. Ich werde gerne zusehen, wie er mit seinem gesunden Menschenverstand die Medikamente fachgerecht vorbereitet und verabreicht. Ich werde auch sehr gerne sehen, wie er/sie mit gesundem Menschenverstand die Drainagen der Patienten kontrolliert und deren Sekrete beurteilt. Und am meisten möchte ich miterleben, wie sie den Gesundheitszustand eines Menschen beurteilt, der von jetzt auf gleich hochinstabil ist. Wenn er es dann noch schafft, die notwendigen und lebenswichtigen Massnahmen einzuleiten, ist er Superman oder sie Wonderwoman.

Viele werden jetzt sagen, dass da natürlich nicht die Akutpflege gemeint sei, aber in der Langzeitpflege sei das schon so. Ich bin sicher, meine Kolleginnen und Kollegen werden mit Vergnügen zusehen, wie diese Menschen, bei bewegungsunfähigen Menschen, oder bei einem von Demenz Betroffenen, die Körperpflege durchführen. Gerne würde ich auch wissen, wie sie mit ihrem gesunden Menschenverstand einem Menschen mit Schluckstörungen das Essen eingeben, notabene ohne, dass dieser Mensch hinterher eine Aspirationspneumonie erleidet. Ich bin ehrlich daran interessiert, wie diese Menschen mit ihrem gesunden Menschenverstand es dann auch noch schaffen die Dokumentation so zu führen, dass die Krankenkasse für die erbrachten Leistungen bezahlt.

Es wird immer wieder argumentiert, dass die «Studierten» ja gar nicht mehr bei den Patienten seien. Gerade die Krankenkassen sollten sich da mal an der eigenen Nase nehmen. Sie sind es nämlich, die hochausgebildete Pflegefachpersonen in ihren Controllingabteilungen anstellen. Mit ihren besseren Arbeitsbedingungen werben sie diese den Institutionen ab. Es sind auch die Kassen, die nur bezahlen, was als wirksam erwiesen ist. Und wie soll bewiesen werden, dass diese oder jene Pflegeintervention wirksam ist, wenn die Pflege keine eigenständige Forschung betreiben kann?



Die Pflegeinitiative hilft nur den Pflegefachpersonen

Im Initiativtext geht es tatsächlich nur um die Pflegefachpersonen HF. Ich bin jedoch der Meinung, dass eine Ausreichende Anzahl Pflegefachpersonen in den Institutionen, auch den Fachangestellten Gesundheit sowie den Assistenzpersonen hilft. Sie müssten dann nämlich nicht mehr aus der Not heraus Aufgaben übernehmen, für die sie nicht ausgebildet sind und die viele von ihnen immer wieder überfordern.


Die Mengenausweitung

Dieses Argument habe ich bisher von allen Gegnern gehört/gelesen und ich nehme das echt persönlich!

Eines möchte ich mal wissen: Was haben Pflegende getan, dass es offensichtlich Anlass dazu gibt, anzunehmen, dass wir alle zum einen Betrüger und zum anderen geldgeil sind? Ist dieses Misstrauen einem Berufsstand gegenüber, der über Jahrzehnte dazu beigetragen hat, dieses Gesundheitssystem aufrecht zu erhalten, angebracht? 


Ich bitte Euch meine Lieben, genau diese Fragen zu stellen, wenn Ihr mit diesem Argument der Mengenausweitung konfrontiert werdet. Scheut die Diskussion mit den Gegnern nicht, Ihr habt jedes Recht, sie zu führen. Tut es nicht nur für Euch, sondern auch für jene, die auf uns angewiesen sind. 


Eure Madame Malevizia.

1 Kommentar:

  1. Vieles richtig und trotzdem kann ich nachvollziehen, dass es für einige möglicherweise als Beschweren, vielleicht nicht auf hohem, aber zumindest gehobenem Niveau erscheint.
    Ich sehe auch regelmässig Überwachungsbetten, die wegen Pflegemangel geschlossen werden, was schlimm ist und behoben werden muss. Was ich nicht sehe, ist, dass dieses bei Ärztemangel auch passiert.
    Da müssen die Anwesenden den Ausfall schlicht und ergreifend kompensieren. Auch immer wieder spassig auf Notfallstationen zu beobachten.
    Und natürlich macht die Pflege teilweise relevant Überzeit. Aber bei der Pflege gibt es noch keine 50 Stunden Wochen und die Weiterbildung findet oft während der Arbeitszeiten statt. Alles Dinge von denen die Ärzte nur träumen können. Davon mal angesehen, dass auch das Argument des geldgeilen Arztes viel älter ist, als die jetzt erhobenen monitären Vorwürfe an die Pflege.
    Vielleicht kommt die Ansicht einiger Politiker und Versicherungen, dass sich die Pflege 'nur anstellt' daher, dass sie wissen, dass junge Assistenzärzte mit 70-80 Stundenwochen noch viel mehr ausgebeutet werden und sie daher wissen, dass aus Menschen im Gesundheitswesen noch viel mehr rauszuquätschen ist?

    Haben es Pflegeangestellte schwer? Ja!
    Müssen sich einige Dinge im Gesundheitssystem bessern, auch zugunsten der Pflege? Ja.

    Nichtsdestotrotz hat die Pflege aber auch eine recht gute Lobby und zumeist einen guten Rückhalt in der Gesellschaft (auch wenn es gerne anders kommuniziert wird) und es könnte noch wesentlich schlimmer sein.

    Natürlich ist es trotzdem gerechtfertigt die zweifelsfrei bestehenden Missstände anzusprechen.

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