Es brauche keine Ausbildung um einer 90 jährigen das Händchen zu halten. So oder so ähnlich soll es eine Politikerin gesagt haben, als es um die Pflegeinitiative ging.
Dieser Ausspruch hat mich getroffen. Persönlich. Zeigt es doch, wie wenig die Leute da draussen über das, was Pflegende tun, wissen. Wie wenig Empathie sie Pflegenden entgegen bringen. Empathie, von der sie glauben, dass sie Pflegenden angeboren ist. Diese Empathie, das sich in andere Einfühlen können, bedingt jedoch, dass Pflegende zumindest eine Ahnung haben, was beim Gegenüber gerade passiert. Die Not eines von Depressionen betroffenen Menschen kann nur ansatzweise nachvollzogen, wenn Pflegende über das Fachwissen zum Thema Depression verfügen.
Dieses «chli Händli häbe» steht für mich jedoch auch noch für etwas anderes. Nämlich für das, was nicht messbar und somit auch nicht belegbar und nicht bezahlbar ist. Ich halte oder berühre nämlich tatsächlich Hände.
Immer wenn ich an das Bett einer Person trete, deren Bewusstsein langfristig oder auch kurzfristig beeinträchtigt ist, berühre ich als erstes ihre Hand. So trete ich ohne Worte mit ihr in Kontakt. Zeige, ihr, dass ich da bin. Ich kann ihr so auch ankündigen, dass ich gleich etwas an ihr tun werde. Ich mache das nicht instinktiv, sondern weil ich es gelernt habe. Basale Stimulation heisst das Konzept.
Ich halte die Hand eines Menschen bei einer schmerzhaften Intervention. Zum einen, damit er fühlt, dass er da nicht allein hindurch muss, zum anderen, dass er diese drücken kann, wenn der Schmerz zu gross wird. Ich tue das, während ich meiner Kollegin bei der Intervention assistiere. Ich mache es also zusätzlich, während mein Fachwissen gefragt ist, um meine Kollegin zu unterstützen.
Ich halte Hände während einer akuten psychischen Krise. Ich halte die Hand, um Kontakt herzustellen zu einem Menschen in grösster Not. In solchen Momenten kann es durchaus um Leben und Tod gehen. Ich höre zu und stelle gezielte Fragen, um daraus geeignete Interventionen abzuleiten.
Und ich halte imaginäre Hände. Es sind die Hände jener Patientinnen und Patienten, die auf der Intensivstation um ihr Leben kämpfen. Es sind die Hände von Angehörigen, die sich um ihre Liebsten sorgen oder sie verloren haben. Meine Gedanken sind bei ihnen und ich hoffe ihnen so etwas Beistand zu leisten. Das habe ich nicht gelernt, aber meine Berufs- und meine Lebenserfahrung lassen mich das tun.
Für jede Art des Händchen – Haltens werde ich nicht bezahlt, jedenfalls nicht materiell. Doch jede dieser Arten macht aus mir eine Pflegefachfrau. Und genau deshalb lasse ich es mir nicht nehmen, das «Händli häbe».
Eure Madame Malevizia
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