Tod und Sterben sind schwierige und emotionale
Themen. Auch in den Medien tauchen sie immer wieder auf. Das letzte Mal vor
einige Wochen, als ein 104 jähriger Mann aus Australien in der Schweiz in den
begleiteten Freitod ging.
Pflegende sind mit dem Tod und dem Sterben in einem
besonderen Masse konfrontiert. Es gehört zu ihrem Berufsleben, wie für den
Bäcker das Brot. Und so ist es für Pflegende unerlässlich, eine eigene
persönliche Haltung zum Sterben und zum Tod zu entwickeln und sich dieser auch
bewusst zu sein. Keine Ethikkomission, keine Gesundheitsorganisation, keine
politische Partei, kein Verein und auch nicht die Medien können Pflegenden
diese Auseinandersetzung abnehmen. Nur wenn sie sich ihrer persönlichen Haltung
bewusst sind, können Pflegende ihre Arbeit machen, ohne dabei sich selbst zu
verlieren.
Doch nicht nur die Pflegenden müssen sich mit Sterben
und Tod auseinandersetzen und sich ihre Meinung bilden und daraus ihre
persönliche Haltung entwickeln. Es liegt in der Natur des Lebens, dass jeder
Mensch einmal stirbt. Und so, muss und soll sich jeder Mensch damit
auseinandersetzen. Und so ist es gut und richtig, dass diese Themen in der
Öffentlichkeit zur Sprache kommen.
Jedoch fehlt mir in der öffentlichen Diskussion um
Sterben und Tod die persönliche Stimme der Pflegenden. Es sind aber die
Pflegenden, die direkt mit Sterben und dem Tod konfrontiert sind. Aus diesem
Grund exponiere ich mich einmal mehr und lege hier meine persönliche Haltung zu
Sterben und Tod dar. Es handelt sich hier gewissermassen um meine Ethik und
mein persönliches Erleben. So gibt es hier kein richtig oder falsch. Ich kann
es jedoch nicht in einem einzelnen Blogbeitrag abhandeln. Dazu ist das Thema schlicht
zu komplex. So erlaube ich mir, in den nächsten Wochen immer wieder einen
Aspekt zu Sterben und Tod zu beleuchten. Beginnen möchte ich mit kurzen
Blitzlichtern auf meine ganz persönliche Ethik.
Ausflug
in meine pflegehexerische Welt Teil I – Meine Sicht auf Sterben und Tod
Der
Tod – Ende und Anfang.
Ich glaube an Zyklen. Und so ist der Tod für mich
ein Teil des Zyklus von Werden – Sein und Vergehen. Für mich ist der Tod die
Vollendung eines Kreises. Ich bin der festen Überzeugung, dass es nach dem Tod
weiter geht. Wo und wie, ich weiss es nicht. Aber ich weiss, dass es keinen
tieferen Frieden gibt, als jener, den Verstorbene ausstrahlen, kurz bevor,
während und kurz nachdem sie diese Welt verlassen haben.
Sterben
– der Weg, der steinig sein kann.
Den Sterbeprozess, sehe ich als den Weg dorthin, der
für jeden anders aussieht. Dieser Weg beginnt viel früher, als wir uns
wahrscheinlich bewusst sind. Es sind nicht nur die letzten Tage im Leben eines
Menschen, die ich als Sterbeprozess betrachte. Es sind zum einen jene
flüchtigen Momente, in denen ein Mensch über sein eigenes Sterben nachdenkt
oder sogar spricht. Zum anderen beginnt der Prozess auch, wenn der Verdacht auf
oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit entsteht.
Und irgendwann kommt es, das letzte Wegstück. In
diesem Stück muss der Sterbende, das irdische loslassen, seinen Körper, hört
auf zu bestehen. Nicht jedem gelingt dies problemlos. Einige scheinen zu
kämpfen, bis zum letzten Atemzug. Andere können die Tür (oder was auch immer es
ist) ganz einfach öffnen.
Leiden
Leiden ist eng mit Sterben und Tod verknüpft. Viele
Menschen äussern, keine Angst vor dem Tod zu haben, sondern vor dem Sterben und
dem damit verbundenen Leiden. Auch ich, bin stets darauf bedacht, dass Leiden
nicht verlängert wird. Dass Schmerzen und Ängste gelindert werden. Doch alles
können wir dem Sterbenden nicht abnehmen. Manchmal müssen wir einfach
aushalten.
Meine Berufserfahrung hat mich eines gelehrt: Es ist
weniger der Sterbende, der leidet. In seinen letzten Stunden ist er nicht mehr
so sehr in seinem Körper, dass er Schmerz und Atemnot wahrnimmt. Es sind seine
Liebsten und auch die Pflegenden, die das Leiden aushalten müssen. Unendlich
schwer ist es, einen geliebten Menschen nach Luft schnappen zu sehen, oder das
Rasseln seiner Lunge zu hören, wahrzunehmen, dass sie die Hautfarbe verändert,
die Hände und Füsse eiskalt werden. Als Pflegende ist es meine Aufgabe, mir
meines eigenen Mit – Leidens sowie meiner Grenzen bewusst zu sein und diese
transparent zu machen.
Ebenso sind es die Pflegenden, welche Angehörige in
dieser schwierigen Zeit begleiten sollen. Die sachlich und behutsam erklären,
was jetzt gerade im Körper des Sterbenden geschieht. Sterben sieht nicht hübsch
aus. Es ist wichtig, die Angehörigen auf diesen Anblick vorzubereiten. In
meiner gesamten Laufbahn habe ich keine Angehörigen in das Zimmer eines
Sterbenden gelassen, ohne sie darauf vorzubereiten, was sie sehen werden. Ich
biete immer, egal was für eine Hektik gerade ist, an, sie hinein zu begleiten.
Der Weg ist schwer, vor allem für sie, und sie sollen sich nicht alleine
fühlen.
Die
Würde des Menschen ist unantastbar.
Das ist sie auch im Tod und vor allem im Sterben.
Konsequent stelle ich mich bei einem Sterbenden vor, spreche mit ihm, auch wenn
er mich nicht mehr hören kann. Ich bin darum besorgt, dass sein Bett sauber
ist, er selbst so gepflegt ist, wie er es sich wünschen würde. Die Wünsche des
Sterbenden, stehen für mich an oberster Stelle. Wenn die Begleitung länger
dauerte, weiss ich da meist viel, ist sie nur kurz, greife ich gerne auf
Angehörige zurück. Ist der Tod eingetreten, ändert dies nichts an meiner
Haltung. Weiterhin spreche ich mit dem Menschen. Erkläre, was ich tue.
Der
letzte Dienst
Ist ein Mensch verstorben, machen ihn die Pflegenden
bereit für den Bestatter. Habe ich einen Menschen in den Tod begleitet, ist es
mir wichtig, ihm diesen letzten Dienst zu erweisen. Meist ist es mein Abschied.
Eure Madame Malevizia
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