Meine
Lieben,
ich
bin erschüttert, ob der Respektlosigkeit, die auch in diesen Tagen Pflegenden entgegengebracht
wird. Schon während für uns geklatscht wurde, brachten es die hiesigen Medien
nicht zustande, die Berufsbezeichnungen korrekt zu benutzen. Von Pflegern und
Pflegerinnen war da zu lesen. Eine Ausbildung, die es seit 2001 (oder sogar
schon vorher) in der Schweiz gar nicht mehr gibt. Es bedarf keiner grossen
Recherche, um herauszufinden, dass die richtige Bezeichnung Pflegefachperson
oder Fachperson Gesundheit lautet. Vor allem, wenn sich sogar der
Berufsverband die Mühe macht, ein Merkblatt dazu zu verschicken. Ich muss also
davon ausgehen, dass es als nicht wichtig erachtet wird, ob die
Berufsbezeichnung korrekt ist.
Einige
Politikerinnen und Politiker haben damit begonnen, Grussworte an Spitäler zu
richten. Eine nette Geste? Ich sehe es eher als den Versuch Pflegende mit Streicheleinheiten
ruhig zu stellen. Interessanterweise kommen diese Grussworte nämlich von
Politikern, die massgeblich dafür mitverantwortlich sind, dass in unserem
Gesundheitswesen gespart wurde bis es nicht mehr ging. Somit haben sie einen
Anteil am Lockdown, der nötig wurde, weil die Gesundheitsinstitutionen einer
Fallzahl von schweren Verläufen wie in unseren Nachbarländern nicht gewachsen
gewesen wären. Diese salbungsvollen Worte fühlen sich an wie das Kopftätscheln
bei einem Kleinkind. Überflüssig zu sagen, wie respektlos es ist.
Schon
vor Covid -19 war es eine beliebte Taktik, vor allem in bürgerlichen Kreisen
praktiziert, aufzuzählen wie gut Pflegende ihre Arbeit doch machen würden, und
dann im nächsten Atemzug zu erklären, warum die Politik jedoch nichts dazu
beitragen könne, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Zusätzlich wurden
fröhlich Vergleiche angestellt, wo es denn noch schlimmer sei (z.B.
Deutschland). Jetzt ist eindrucksvoll bewiesen worden, was passiert, wenn wir
in diesem Stil weiter machen. Ich habe darum keine Lust mehr, darüber zu
diskutieren, ob die Massnahmen, wie sie die Pflegeinitiative definiert, nötig
sind. Ich will jetzt darüber reden, wie sie umgesetzt werden. Sich darüber
auszutauschen und daran zu arbeiten, wäre ein wahres Zeichen von Respekt.
Ach,
ich soll doch nicht zu tun, die Welle sei ja gar nicht gekommen? Dieses
Argument lese ich in letzter Zeit häufig. Wisst Ihr was? Wir alle hier in der
Deutschschweiz sollten (an wen oder was auch immer wir glauben) auf Knien dafür
danken, dass wir womöglich verschont bleiben werden. Obwohl sie ausblieb, haben
sich alle Pflegenden darauf vorbereitet, sich noch mehr in den Dienst der
Allgemeinheit zu stellen, als sie es sonst schon tun. Es wurden 12 Stundenschichten
geleistet, Teams in andere Teams integriert und nicht wenige haben sich über
die Massen exponiert. Das geltende Besuchsverbot hat ebenfalls einen beträchtlichen
Mehraufwand ausgelöst. In den Spitälern, sowie in den Pflegeheimen. Dies ist
und bleibt eine Leistung, diese jetzt kleinreden zu wollen, ist respektlos.
Ach,
Covid-19 ist gar nicht so gefährlich, wird jetzt gesagt. Dazu sind unzählige
Studien, Diagramme, Statistiken im Umlauf. Sie sind es in so einer grossen Zahl,
dass es schlicht nicht mehr möglich ist, diese auf ihre Korrektheit, ihre
Auslegung zu prüfen oder auch nur ansatzweise aussagekräftig interpretieren zu
können. In meiner Ausbildung habe ich gelernt, dass ich wissen muss: was war
die genaue Fragestellung dieser Statistik? Wie wurde gezählt? Was wurde gezählt
oder verglichen? Über welchen Zeitraum wurde gezählt oder getestet. Keines
dieser Diagramme, oder Kurven, das zur Zeit in den Medien herumgeistert, kann
daraufhin geprüft werden, weil genau diese Angaben fehlen. Genauso verhält es
sich mit all diesen Zahlen, die da kursieren. Es sind «füdliblutte» Zahlen,
keiner weiss woher sie stammen und wie sie zustande gekommen sind. Als ich
letztens mit einer Freundin, die als Pflegefachfrau mit FA Intensivpflege
arbeitet, darüber sprach, dass die Meinung herrscht, Covid-19 sei nicht
gefährlich, meinte sie nur: «Vielleicht sollten sie das unseren Patienten
erklären, die jetzt gerade wegen einer Covid-19 Infektion um ihr Leben kämpfen.»
Und genau da sind wir wieder beim Punkt.
«Pflegende
sind idiotisch», so lautete die Überschrift eines Linkedin Artikels. Obwohl ich
eigentlich nichts lese, bei dem ich schon im Titel dermassen betitelt werde,
habe ich diesen überflogen. Es ging darum, dass Pflegende sich (zu) wenig für
sich einsetzen. Auch das habe ich schon häufig gehört. Wir sollten doch mal so
richtig auf den Tisch hauen. Streiken oder so. Wenn wir es nicht täten, müssten
wir uns ja nicht wundern, wenn sich nichts ändert. Ich frage mich, was sich
diese Leute eigentlich vorstellen. Wie soll denn das ihrer Meinung nach
aussehen? So wie in Italien und Kanada, wo Pflegende einfach weggelaufen sind
und ihre Patienten dem Schicksal überlassen haben? Wenn wir es wirklich darauf
ankommen lassen sollen, wird das Menschenleben kosten. Die Probleme sind auf
dem Tisch, teilweise sogar mögliche Lösungen. Zu sagen, wir reagieren erst
darauf, wenn die betreffende Berufsgruppe unserer Meinung nach laut genug
schreit ist respektlos!
Wisst
Ihr, dieses «Pflegende sind Idioten!», hat mich getroffen. Noch mehr
erschüttert hat mich, dass niemand auf diese Beleidigung reagiert hat. Und das ist
symptomatisch für unseren Berufsstand. Wir lassen es zu. Viele sind auch jetzt
wieder frustriert und resigniert. Sagen «Wir haben gewusst, dass sich auch
jetzt nichts ändern wird!» Ja, das stimmt. Denn, wenn wir die Veränderung wollen,
müssen wir selbst damit anfangen. Dann müssen wir uns selbst so respektvoll
behandeln, wie wir es verdient haben. Dann müssen wir unsere Forderungen
formulieren und diese nach Aussen tragen. Dabei dürfen wir kraftvoll sein, auch
wenn versucht wird, uns mit Statistiken und Zahlen zu verunsichern. Wir müssen
und dürfen uns den Diskussionen stellen, und einfordern, was uns zusteht. Wir haben
das Wissen, um mitreden zu können, auch und vor allem in der Politik. Unsere
Stimmen gehören in ethischen Fragestellungen gehört und ernst genommen. Wenn
wir uns selbst Respekt zollen, fluten wir genau jetzt, Social Media mit unseren
Forderungen. Und zwar richtig. Heisst, wir formulieren, was wir wollen und
nicht das was wir nicht wollen. Respekt vor sich selbst zu haben, heisst, weder
Arbeitgeber noch Politikerinnen und Politiker mit ihren Streicheleinheiten
davon kommen zu lassen. Es bedeutet, unbequem zu sein, auch mal zu streiten und
unbeliebt zu sein. Ich bin absolut überzeugt, nur so werden wir das bekommen,
was wir verdient haben: Respekt für unseren Berufsstand.
Und
so stelle ich mich erneut hin und sage: I’m proud, to be a nurse.
Eure
Madame Malevizia
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