Montag, 30. Oktober 2017

Vom Schatten ins Licht - Weiterführende Gedanken zum Krankenpflege 10/17


In der Krankenpflege wurde sie thematisiert, die Schattenseite der Pflege, jenes Dunkle, Unglaubliche, von dem alle in der Pflege wissen, dass es traurige Realität ist. Es ist so Unfassbar, dass Aussenstehende es fast nicht glauben können. Aber es ist wahr und so langsam sickert diese Wahrheit auch ins Bewusstsein der Menschen in der Schweiz durch. Ich gratuliere der Redaktion der Krankenpflege zu dem mutigen Schritt, die Schatten zu beleuchten. Mich haben diese Geschichten sehr berührt, im ersten Moment hilf- und ratlos zurückgelassen. Und dann wurde mir bewusst, dass diese Schatten es sind, die mich dazu gebracht haben, Pflegehexe zu sein. Für mich kann das beleuchten dieser Schatten, nur ein Anfang sein, auf dem Weg der Pflege ins Licht. Doch, wie kommen wir in dieses Licht? Diese Frage hat mich in den letzten Tagen beschäftigt und plötzlich war es da, das Wort: Verantwortung. Wenn Pflege ins Licht finden soll, dann muss die Verantwortung wieder dort hin wo sie hingehört. Sie muss richtig verteilt werden.

Die Pflegenden müssen die Verantwortung für sich selbst übernehmen. Sie müssen sich ihrem eigenen Wert bewusst sein. Pflegende gibt es nicht wie Sand am Meer. Es gibt deshalb keinen Grund, sich in einem unbefriedigenden Arbeitsfeld aufzureiben und im Elend zu verharren.
Gefährliche Pflege gehört konsequent angesprochen, wenn es alle tun, kann auch keiner herausgemobbt werden. Und da müssen wir Pflegenden die Verantwortung übernehmen und solidarisch sein. Wir müssen es schaffen in unseren Betrieben eine «Grösse» zu sein, an der man nicht so einfach vorbeikommt.

Wenn die Pflegequalität nicht den ethisch – moralischen Grundsätzen der Pflege entspricht und deshalb gekündigt wird, gehört dies auch als Grund auf die Kündigung. Das braucht Mut, aber meine Lieben, wir sehen Menschen leiden, sterben, wir retten Leben und dann schaffen wir es nicht, die Wahrheit zu sagen? Erst wenn dem Arbeitgeber klar wird, dass ihm die Leute davonlaufen, wenn er weiter so «wurstelt», wird er sich bewegen. Institutionen, welche Pflegende auspressen wie Zitronen, gehören von eben diesen konsequent mit Kündigung abgestraft.

Der Pflegenotstand gehört in die Öffentlichkeit. Es geht nicht, dass wir weiter damit allein gelassen werden. Darüber muss diskutiert werden. Die Pflegende selbst sind es, die diese Diskussion auslösen und aufrechterhalten müssen.

Ebenso müssen die Patienten/Klienten/Bewohner die Verantwortung für sich selbst übernehmen. Es kann nicht sein, dass in unserer modernen Gesellschaft, die Verantwortung für sein eigenes Leben am Empfang abgegeben wird. Es liegt nicht drin, dass mündige Menschen sich ins Bett legen, alle Viere von sich strecken und alles mit sich machen lassen. Natürlich «stören» Menschen, die Abläufe und Untersuchungen hinterfragen, den Betrieb. Aber ich tanze jedes Mal vor Freude Tango, wenn ein Patient, die Sinnhaftigkeit der vielen Laboruntersuchungen in Zweifel zieht und eine weitere Untersuchung verweigert, wenn er sich nicht ausreichend aufgeklärt fühlt. Heimbewohner, die sich nicht ausreichend betreut fühlen, weil es an Personal fehlt müssen den Heimleitungen die Tür einrennen, ja, sie belagern.

Ich erwarte von meinen Patienten, dass sie fragen, was das da für eine Tablette ist, wenn sie diese nicht kennen. Ich bin darauf angewiesen, dass sie klingeln, wenn sie sich nicht gut fühlen. Und ich will, dass sie, wenn sie den Druck unter dem die Pflegenden stehen wahrnehmen, dies den Pflegedienstleitungen, zurückmelden.


Auch die Angehörigen haben eine Verantwortung. Es kann nicht sein, dass sie ihre Liebsten einfach bei der Türe abgeben und das wars dann. Ich erwarte von keinem Sohn und von keiner Tochter, dass sie die Pflege ihrer Eltern übernehmen. Aber sie können da sein. Vor allem in den Pflegeheimen ist ihre Präsenz gefragt. Auf den Wohngruppen/ Stationen ebenso, wie im Büro der Pflegedienstleitung. Wenn etwas nicht gut läuft, soll hartnäckig darauf aufmerksam gemacht werden. Wenn nötig schriftlich zu Handen der Heimleitung und des Verwaltungsrats. Ich weiss, dass Herr und Frau Schweizer das können!

Die Pflegedienstleitungen und Heimleitungen müssen ihre Verantwortung gegenüber der Basis wahrnehmen. Sie sind es, die gegenüber dem Arbeitgeber die Pflege vertreten. Es kann nicht sein, dass sie den Druck einfach ungefiltert den Pflegenden weitergeben.
Pflegedienstleitungen dürfen sich nicht einfach in ihrem Elfenbeinturm verstecken. Sie gehören in die Nähe der Basis, sie sollen ein offenes Ohr haben, für die Nöte der Pflegenden und mit ihnen zusammen nach Lösungen suchen. «Das ist einfach so.» muss aus dem Wortschatz der Pflegedienstleitungen/ Heimleitungen verschwinden. ^

Und ich weiss, es gibt sie, die Pflegedienstleitungen, die sich kümmern. Die für unruhige/verwirrte Patienten Sitzwachen organisieren. Und wenn der eigene Pool nicht reicht, einen weiteren externen Pool ins Boot holen. Sie lassen Pflegende nicht einfach alleine mit engmaschigen Überwachungen, sondern suchen nach Lösungen, wie die Sicherheit auf der Station aufrecht erhalten werden kann.

Die Arbeitgeber, und damit meine ich die Damen und Herren Verwaltungs – oder Stiftungsräte, oder Konzernleitungen, die CEOs und wie sie sonst noch alle heissen, die obersten Gremien der Gesundheitseinrichtungen, dürfen ihre Arbeit nicht nur auf den Profit ausrichten, auch sie müssen Verantwortung übernehmen. Und das nicht nur finanziell. Sie sind dafür verantwortlich, dass ausreichend personelle Ressourcen zur Verfügung stehen. Können diese nicht ausreichend rekrutiert werden, ich es an ihnen, dem Abhilfe zu schaffen und sich zu fragen: Wie können wir für Arbeitnehmer attraktiv sein? Wie können wir der Fluktuation entgegen wirken? Es kann einfach nicht sein, dass in der Teppichetage Milch und Honig fliesst und die Pflegenden an der Basis reihenweise zusammenbrechen. Es ist am Arbeitgeber, die Gesetze einzuhalten. Und es ist einfach nicht legitim, über Monate und Jahre Teams am Limit laufen zu lassen und dann zu erwarten, dass die Pflegenden bei Krankheitsausfällen ständig einspringen! Und dann noch zu glauben, ein warmer Händedruck als Dank genüge.

Auch die Berufsverbände sind in der Verantwortung. An ihnen ist es, den Pflegenden ihre Rechte bewusst zu machen und sie in der Durchsetzung dieser zu unterstützen. Sie sind es, die in der Öffentlichkeit auf die Anliegen der Pflegenden aufmerksam machen sollen.

Und ganz ehrlich, ich bin sehr stolz auf unseren Berufsverband, der in den letzten Jahren an Präsenz in der Öffentlichkeit zugelegt hat. Der in seinen Forderungen an Klarheit und Vehemenz gewonnen hat. Der SBK hat eine solide Rechtberatung, die wie auch das «Krankenpflege 10/17»deutlich zeigt, für seine Leute einsteht. Mit der Lancierung der Pflegeinitiative hat der SBK ein Riesenprojekt gestartet. Die jedoch mit einem Engagement und einer Vehemenz, die ihresgleichen sucht. Damit haben sie es zum einen geschafft Pflegende zu mobilisieren und zum anderen, die politische Diskussion zum Thema angestossen.

Der SBK ist dabei, in der Gesundheitspolitik zu einer Grösse zu werden, die nicht mehr einfach ignoriert werden kann. Bleibt dran, liebe SBKler, ich bin mit Euch!

Kommen wir zur Politik. Die hat in diesem Thema in meinen Augen vollkommen versagt und muss deshalb für mich auch die Verantwortung für die momentane katastrophale Lage im Gesundheitswesen übernehmen.

Gesundheitspolitik besteht nicht nur aus Kostenberechnungen und Krankenkassen! Es geht dabei vor allem um Menschen. Es geht um ethisch – moralische Fragen und dieser entzieht sich die Politik grundsätzlich. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass sich der Kanton Bern anschickt, ein Sparpaket (mit dem sinnigen Namen Entlastungspaket) zu verabschieden, welches so drastische Sparmassnamen im Gesundheitswesen vorsieht, dass es mir schon beim daran denken übel wird.
Anders kann ich mir nicht erklären, dass die SwissDRGS eingeführt und die Pflege dabei schlicht «vergessen» wurde.

Über die explodierenden Gesundheitskosten wird ständig diskutiert. Es sind jedoch nicht die Pflegenden, welche diese verursachen. Will man diese Kosten in den Griff bekommen, würde es vielleicht Sinn machen, hinzuschauen, wohin dieses Geld fliesst. Könnte aber schwierig werden, wenn man mit einem Ohr, ständig auf die Krankenkassen- und Pharmalobby hört.
Der Fachkräftemangel in der Pflege ist bekannt. Doch im Parlament wurde er bisher kaum thematisiert. Im Gegenteil, die einzige ernstzunehmende parlamentarische Initiative (Initiative Joder), wurde mit nicht eintreten abgeschmettert. Es ist an der Politik nach Lösungen dieses Problems zu suchen.

Die Not der Pflegenden gehört auf den Tisch und in die politische Agenda. Pflegende ist nicht irgendein Beruf. Es ist einer jener Berufe, der die Verletzten, die Kranken, die Versehrten der schweizer Bevölkerung versorgt. Dass diese Versorgung aufrecht erhalten werden kann und wir nicht wieder wie in «alten Zeiten», diese Hilfsbedürftigen Menschen in «Siechenhäusern» elend verrecken (pardon, kann es gerade nicht anders sagen) lassen müssen, dafür ist die schweizer Politik verantwortlich.

Ich bin überzeugt, wenn alle von mir genannten Akteure ihre Verantwortung endlich wahrnehmen und aufhören, diese wie den schwarzen Peter an den nächstbesten weiterzuschieben, wäre schon sehr viel mehr Licht in der Pflege möglich.

Für mich ist Pflegefachperson noch immer der schönste Beruf der Welt. Kann dieser Beruf so ausgeübt werden, wie er in den Berufsschulen gelehrt wird, ist er sehr spannend, eröffnet ein sehr breites Berufsfeld und bereichert Pflegende, Patienten und Gesellschaft gleichermassen.

Und weil das so ist, werde ich weiter dafür kämpfen, dass die Pflegewelt ins Licht findet.

Eure Madame Malevizia

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