Mittwoch, 6. Oktober 2021

Weil es so ist, wie es nicht sein darf



Manuela Weichelt (Grüne) beschreibt in ihrer Rede im Parlament Zustände, von welchen sie Kenntnis hat. Das Video wurde auf Social Media x – fach geteilt. Und so dauerte es auch nicht lange, bis jemand sich gemüssigt fühlte, zu kommentieren, dass es ganz bestimmt noch nicht so schlimm sei.

Dieser Kommentar hat mich von 0 auf 100 schnellen lassen. Doch! Es ist genau so schlimm! Die Beispiele, welche Manuela Weichelt nennt, sind mir nur allzu bekannt, nur sind sie selten in einem Stufenplan schriftlich festgehalten. Wenn bei einer ohnehin schon dünnen Personaldecke, die einerseits dem Fachkräftemangel geschuldet ist, andererseits aber auch von den Betrieben aus Spargründen in Kauf genommen wird, Pflegende ausfallen, hat das Konsequenzen. Denn auch Pflegende haben nur zwei Hände, zwei Füsse, einen Kopf und das alles ist zusammengewachsen. Solche Tage laufen unter dem Motto: „Das Ziel ist, dass am Schluss alles noch atmet, was noch atmen soll.“

An solchen Tagen werden Blasenkatheter belassen, weil nicht garantiert werden kann, dass jemand Zeit haben wird, den betreffenden Menschen auf die Toilette zu begleiten, damit dieser sein Grundbedürfnis stillen kann.

Da wird auf die Ausscheidung im Bett bestanden, weil eine Begleitung auf die Toilette zu zeitintensiv wäre.

Da liegen Menschen sehr lange in ihren Ausscheidungen, weil sie frisch zu machen zuunterst auf der Prioritätenliste der Pflegenden steht.

An Körperpflege ist schon gar nicht zu denken. Maximal Intimpflege, wenn es hochkommt.

Prophylaxen wie Gehtraining, Atemübungen, durchbewegen, lagern können nicht durchgeführt werden.

Was statt dessen gemacht wird? Vitalzeichen gemessen, Medikamente verabreicht, per os und i/v, Blut abgenommen, Visite gemacht, Schmerzreserven verabreicht, Notfallmassnahmen eingeleitet, durchgeführt. Kriseninterventionen gemacht, koordiniert, dokumentiert. Studierende betreut, so gut es eben geht. Das Ganze mitunter als einzige Fachperson, zuständig für bis zu 20 Menschen. So sieht es im Akutspital aus. Im Pflegeheim wird an diesen Tagen „satt und sauber“ praktiziert. In den Psychiatrien wird sediert, anstatt mit Gesprächen durch die Krise begleitet.

Ihr meint, das seien doch bestimmt nur einzelne Tage. Ich kann euch nicht beruhigen. Das ist manchmal über Wochen der Normalzustand. Und genau darum sind die Pflegenden zunehmend am Anschlag. Genau darum steigen so viele aus.

Solche Tage durchzustehen sind, wenn frau es genau und in Ruhe betrachtet, der Horror. Für die Pflegenden genauso wie für die Patienten.

Und da kommt dieser Kommentar auch her. Vom „nicht wahr haben wollen.“ Vom „nicht aushalten können“ und darum auch nicht „hinsehen wollen.“ Ich mache da nicht mehr mit! Ich habe die Schnauze gestrichen voll davon, mit diesem Scheiss alleine gelassen zu werden! Der Pflegenotstand geht alle etwas an. Er gehört auf den Tisch und gründlich untersucht. Ich rufe deshalb alle meine Kolleginnen und Kollegen auf, leidet nicht mehr still vor euch hin! Werdet mit mir zusammen laut und nennt die Dinge beim Namen! Die Bevölkerung muss ein genaues Bild davon haben, was im Gesundheitswesen abgeht. Es muss klar sein, warum ein Ja zur Pflegeinitiative so elementar ist. Die Pflegeinitiative ist ein Weg vom Ziel: „Es atmen noch alle, die atmen sollen“ zum Ziel: „Die Pflege ist ein wichtiger Player im Gesundheitswesen, sie wird als da wahrgenommen und kann ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen leisten.“

Ich danke bereits jetzt, für  euer„Ja zur Pflegeinitiative“.

 

Madame Malevizia

 

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